Marinestützpunkt Kiel Wik

Marinestützpunkt Kiel Wik

Des Kaisers Admirale

Kasernenbenennung und Namensgebung in der Marine ... 

Die Vorkommnisse in der Bundeswehr, die bis heute mit Pfullendorf, Illkirch, dem KSK und Rechtsradikalen verbunden sind, führten unter anderem auch durch den "Fall Franco A." 2017 zum Traditionserlass 2018 (https://www.bmvg.de/de/aktuelles/der-neue-traditionserlass-23232).

Unter Ihrer Führung entstand 2018 der Traditionserlass: Verteidigungsministerin von der Leyen; Foto:bundeswehr

Der damit verbundene Auftrag an die Truppe konnte die Marine – obwohl bis dato gottlob nicht direkt betroffen – nicht kalt lassen. Es erging ein Prüfauftrag vom Inspekteur. Im März 2021 tauchten Behauptungen auf, die Marine habe entschieden, die Namensgebungen in ihren Standorten zu ändern, insbesondere wenn es sich um historisch "fragwürdige" Persönlichkeiten handele. Das war unrichtig, der Stellvertreter des Inspekteurs der Marine und Befehlshaber der Flotte und Unterstützungskräfte, Vizeadmiral Rainer Brinkmann, sah sich daher zu einer Richtigstellung genötigt (siehe marineforum Heft 4–20, Seite 50). In der ihm eigenen höflichen und amüsant spöttischen Ausdrucksweise machte er deutlich, was er von der Aufregung hielt: „man wittert Verrat, man wittert Skandal, man wittert die Chance zur Abrechnung mit der Marine und ihrer Führung! Namen, in denen sich für die einen Glanz und Gloria, für die anderen Verblendung und Verirrung spiegeln, sollen auf den Abfallhaufen der Geschichte entsorgt werden: Tirpitz, Scheer, Graf Spee, Hipper, Coronel, Skagerrak, Marienburg … Wollin, Königsberg, Elbing …!“

Vizeadmiral Rainer Brinkmann Foto: reunion-marine

Er sagte damit, was dran war: nichts! Die Entscheidung war noch nicht getroffen. Es war lediglich eine Bestandsaufnahme der Namensgebung an den Standorten der Marine durch die dort verantwortlichen Dienststellenleiter und Kommandeure durchgeführt worden. Absicht war, in Einklang mit dem Traditionserlass, mit Personalvertretungen und Kommunen zu einer angemessenen Entscheidung zu kommen. Man wolle sich Zeit lassen, denn „Geduld und Gelassenheit sind vonnöten, nicht Gerede und Gezeter!“ Bis dahin, so Brinkmann: „mag ein eherner Grundsatz der Matrosen gelten: Ruhe bewahren!“

April 2021: Marine streicht den Namen Tirpitz!

Der Stützpunkt der Deutschen Marine in Kiel, der Tirpitzhafen, wird umbenannt und das Gelände offiziell nur noch Marinestützpunkt Kiel-Wik heißen. Auch andere belastete Namen sollen ersetzt werden. So wird aus der Scheermole die Oskar-Kusch-Mole. Auch die Tirpitzmole verliert ihren Namen und soll zukünftig nach dem Dichter Gorch Fock (eigentlich Johann Wilhelm Kinau) benannt werden. Die Umbenennung geht auf die oben genannte Anweisung des Inspekteurs der Marine zurück, alle bestehenden Namen von Kasernen sowie Infrastrukturelementen auf ihre Traditionswürdigkeit im Sinne des Traditionserlasses hin zu überprüfen und da, wo notwendig, eine Umbenennung zu veranlassen. Der 2018 veröffentlichte Traditionserlass legt fest, dass das Traditionsverständnis der gesamten Bundeswehr auf ihrer eigenen, über sechzigjährigen Geschichte sowie dem Widerstand gegen Diktaturen und Gewaltherrschaft basieren soll. Somit die Umsetzung dessen, was im Jahr zuvor begonnen wurde.

 

Warum Oskar Kusch?

Das Buch, welches Oskar Kusch bekannt machte Foto: Walle

Mit der Umbenennung der Scheermole soll Oberleutnant zur See Oskar Kusch geehrt werden, ein U-Bootkommandant des Zweiten Weltkriegs, der in der Kriegsmarine wegen regimekritischer Äußerungen aufgefallen war und 1944 auf dem Schießplatz in Kiel-Holtenau hingerichtet wurde. Oskar Kusch ist in und um Kiel bereits mehrfach geehrt. Aber wie kam dieser Name überhaupt ins öffentliche Bewusstsein? Eine Geschichte, die beinahe nie erzählt wurde:

Der Marinehistoriker Dr. Heinrich Walle stieß um 1990 durch einen „literarischen Zufall“ auf den Namen und begann seine Forschungen. Mit Unterstützung des Deutschen Marineinstituts (heute: Deutsches Maritimes Institut, DMI, der Eigentümer dieser Webseite), des damaligen Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) und des Inspekteurs der Marine, Vizeadmiral Hein-Peter Weyher, konnte Walle 1995 die Biografie „Die Tragödie des Oberleutnants zur See Oskar Kusch“  veröffentlichen. Herausgeber waren der Marinehistoriker FKpt d.R. Prof. Dr. Salewski und Flottillenadmiral Christian Giermann. Der Band wurde im Kieler Landtag vorgestellt. Aufgrund dieser Untersuchungen wurde Oskar Kusch vom Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein auch offiziell rehabilitiert. Oskar Kusch war kein Widerstandskämpfer, der in den versuchten Staatsstreich vom 20. Juli eingereiht werden kann. Aber er war Gegner des NS-Regimes und stand zu seiner Meinung. Er steht somit symbolisch für viele, die ähnlich handelten und sprachen, die aber entweder das Glück hatten, nicht denunziert zu werden oder dessen Schicksal bis heute unerforscht sein könnte.

Ohne das Deutsche Maritime Institut, die Unterstützung aus dem damaligen Führungsstab der Marine im Bundesministerium der Verteidigung und die Arbeit von Dr. Heinrich Walle wäre der Name Oskar Kusch womöglich unentdeckt geblieben.

 

Meinungen und Leserbriefe

(Kieler Nachrichten) Marine bricht mit ihrer eigenen Tradition.

Die Umbenennungen im Marinestützpunkt Kiel (KN v. 22.04.2021) werden weithin als überfällige Abkehr von der älteren Tradition verstanden. Aus Tirpitz wird Gorch Fock, aus Scheer wird Oskar Kusch. Die neuen Namensgeber sind respektable Persönlichkeiten, die im 1. bzw. im 2. Weltkrieg ihr Leben verloren. Sie sind für neue Benennungen im Marinebereich zweifellos traditionswürdig. Aber muss man das Kind mit dem Bade ausschütten? Man kann den Spieß auch umdrehen. Seit mehr als 60 Jahren haben geschätzt mehr als 100.000 Frauen und Männer – darunter der Verfasser dieser Zeilen – brav an der Tirpitz- bzw. Scheermole auf ihren Schiffen gedient, ohne an den Namen Anstoß zu nehmen. Diese Namensgeber mögen wie alle militärischen Führer mit ihren Erfolgen und Fehlleistungen umstritten sein. Sie waren „Kinder ihrer Zeit“ wie auch unsere Großeltern. Das heutige Wissen um den Lauf der Welt hatten sie nicht. Hier gilt, dass Menschen irren, aber die Geschichte wertet. Man kann und soll sich an den Namensgebern reiben, aus ihrem Verhalten lernen und den nachwachsenden Generationen erklären. Aber man kann mit der Streichung von Namen nicht die Geschichte und schon gar nicht die Gegenwart und die heutige Gesellschaft verschönen. Wie dem auch sei, Tirpitz und Scheer sind jedenfalls Teil der Tradition und der Erinnerungskultur der Nachkriegsmarine seit 1956. Wie kommt es nun, dass im April des Jahres 2021 mitten in einer krisengeschüttelten Welt die Umbenennung plötzlich so dringlich wurde und als großer Modernisierungseffekt begrüßt wird? Offenbar schaffen es die Deutschen nicht, gelassen mit ihrer Geschichte umzugehen. Wer sich mit dem Zeitgeist verheiratet, kann bald Witwer sein. Uwe Jenisch, Kiel

(Kieler Nachrichten 03.05.21 ) Nachdem Sie zwei Leserbriefe veröffentlicht haben, die die neue Namensgebung im Marinestützpunkt ablehnen, sehe ich mich als Befürworter der Neubenennungen doch zu einem Leserbrief genötigt: Traditionspflege und Erneuerung haben natürlich sehr viel miteinander zu tun. Vorbild- und Traditionsmaßstäbe bedürfen immer der Überprüfung. Die Namensgebung der Scheer- und Tirpitzmole erfolgte im "Dritten Reich". Warum die damaligen Vorbilder (und auch manche aus den Anfängen der Bundeswehr) für uns heute nicht mehr gelten können, bedarf (hoffentlich) keiner Erläuterung. Mit der "Oskar-Kusch-Mole" kann deutlich werden: Dieser Mann wurde allein wegen seiner Zivilcourage, seiner Besatzung die Wahrheit über das NS-Unrechtsregime zu vermitteln, hingerichtet; dafür bedurfte es noch nicht einmal eines tatorientierten Widerstandes. Heute droht für Zivilcourage keine Todesstrafe - aber sie ist auch von Soldaten gefordert, in und außer Dienst! "Gorch-Fock-Mole" steht wohl mehr für das Segelschulschiff als für den Schriftsteller, der allerdings war zwar stolz-national, aber keineswegs überhöht-nationalistisch. Man sollte sich nicht täuschen lassen: Seine kurze Novelle "Das schnellste Schiff der Flotte" meinte den schnellsten Fischewer der Finkenwerder Flotte! Dr. Dieter Hartwig, FKpt a.D.

Sehr geehrter Herr Dr. Hartwig, Ihre Replik auf den Leserbrief von Herrn Dr. Jenisch habe ich als Querinformation dankend erhalten. Die Argumentation ist auf beiden Seiten schlüssig, wenngleich ich bei "Kindern einer Zeit " nur in Ausnahmen (z. B. Petersstraße) für Umbenennungen votiere, im besagten Fall nicht. Ich hätte dem vorbildhaft-wackeren Oskar Kusch eher bei einer maritimen Neubenennung einen herausragenden  Platz gewünscht. Die jetzige Namensgegenüberstellung ist auch un-hegelianisch, weil hier die These-Antithese nicht passt, somit kein Fortschreiten zum Höheren erkennbar ist. Ich empfehle einen parallelen Blick auf die Umbenennungsdebatte in Rostock: Initiative für neuen Namen anstelle Ilja-Ehrenburg-Straße!  R. Wiechert, Altenholz

Der Seemannssonntag in Wilhelmshaven

Das deutsche Marinemuseum Wilhelmshaven bot am 06.05. seinen traditionellen Seemannssonntag zu diesem Thema an. Zwar pandemisch digital, aber dennoch attraktiv. Das Thema hatte starkes Interesse geweckt. Ohne alle aufzählen zu können, war zahlreich meist pensionierte "Marineprominenz" sowie Männer und Frauen vom Fach angelockt worden. Das machte die  technische Moderation zu einer Herausforderung und nicht alle Meinungen konnten gehört werden. Als offizieller Gast war der eingangs erwähnte Vizeadmiral Rainer Brinkmann eingeloggt, der noch einmal die Gründe der Entscheidungen erläuterte. Für ihn gelte eine Wertebezogenheit, man müsse dabei Erinnerungswürdigkeit und Traditionswürdigkeit trennen. Er betonte nochmal, dass der Umbenennung eine umfangreiche Abstimmung vorausgegangen sei.

Liebe Besucher von marineforum.online,

was ist Erbe, was ist Tradition? Nach der Entscheidung in Kiel ist dies dennoch keine „therapeutische Debatte“. Was wird folgen? Bisher haben sich fast ausschließlich marineverbundene Senioren geäußert. Was denken Jüngere, was meint der Bürger? Nur zu, die Kommentarfunktion ist offen. Und verderben Sie mir nicht den Spaß: denken Sie an die Netiquette.

Holger Schlüter, Chefredakteur

6 Kommentare

  1. Die o.a. Einleitung in die Thematik und offizielle Bw-Begründung macht für mich eindeutig klar, dass es sich bei der diskutierten Umbenennung der Molen im Kieler Marinestützpunkt um eine Entscheidung entlang des „Main stream“ oder auch des „Zeitgeistes“ handelt. Man muss nur der aufgezeigten Linie folgen: KSK – Pfullendorf – Illkirch – Fall Franco A – darauf die Überprüfung der Liegenschaften der Bw auf Weisung der Frau Minister und siehe da…. plötzlich liegen Tirpitz und Scheer als Namensgeber auf der vermeintlich gleichen Linie des Nährbodens rechtsgerichteter und verfassungsfeindlicher Umtriebe in der Bundeswehr?? Dabei möchte ich diese Entscheidung gar nicht abträglich bewerten, man sollte nur auch den Schneid haben, diesen Anlass beim Namen zu nennen und nicht einen „dringenden Bedarf“ der Truppe vor Ort konstruieren, deren Dienstfreude davon abhängt, ob sie die Vorleine vom Poller auf der „Gorch-Fock-Mole“ oder vom Poller auf der Tirpitzmole loswirft.
    Im übrigen hatten die lokalen Tonangeber in der veröffentlichten Meinung bereits das Hindenburgufer als Zufahrtstr. zum Marinestützpunkt in Kiellinie umbenannt, da konnte es auch nur eine Frage der Zeit sein, wann die nächste „Bastion“ aufs Korn genommen würde.
    Die Marineführung hat in dieser aufgeladenen Situation in der heutigen Zeit überhaupt keine andere Chance, als diesem Zeitgeist nachzugeben, wenn Sie sich nicht einem Sturm von Eingaben und öffentlich gesteuerten Diskussionen zerreiben lassen will, die ihr aus anderen Vorgängen noch in bester Erinnerung sein dürften. Dazu in einer Zeit in der es wahrlich wichtigere Entscheidungen für die Marine gibt.
    Insofern unterstütze ich die Feststellung von VAdm Brinkmann, diese geforderte Entscheidung „mit Geduld und Gelassenheit “ und nicht mit Gezeter über die Bühne zu bringen, ebenso stimme ich den Ausführungen von Prof Jenisch zu, der sich fragt, warum in der krisengeschüttelten Lage des Jahres 2021 nun ein so dringender Bedarf der Namensänderung vorliegen solle.
    Schwierig wird es auch, wenn man die bisherigen Namensgeber einem – in den Geschichtswissenschaften zumindest nicht unkritischen – Verfahren der „ex post Betrachtung / Bewertung“ unterzieht, d.h. ihr Wirken und Handeln zu ihrer Zeit und die daraus abgeleitete Berechtigung zur ehrenhaften Namensgebung zweier Molen an den Grundsätzen unserer heutigen freiheitlich demokratischen Grundordnung misst. Kein Zweifel, ein Gorch Fock oder Oskar Kusch schneiden in der wertenden direkten Gegenüberstellung zu Tirpitz und Scheer aus unserer heutigen Sicht bestimmt besser ab. Ihre Namen kamen ja aber erst ins Spiel, nachdem man die Vorgänger vom Sockel gestoßen hatte.
    Aber zurück zu der Gelassenheit, die wahrlich geboten erscheint. Man sollte die neuen Namen zumindest mit dem Hinweis auf die alten Bezeichnungen versehen und damit all denen, die jetzt dagegen opponieren die Erinnerung an Ereignisse ermöglichen, die in den 65 Jahren der Nachkriegsgeschichte unserer Marine sich an diesen Molen abgespielt.
    Als Anknüpfung auf den Hinweis von Wilhelmshaven durch Andreas Uhl: Zum großen Glück war die Marineführung der frühen 60er Jahre schon besonders weitsichtig, in dem sie die Hauptliegeplätze im Marinestützpunkt Wilhelmshaven mit den unkritischen Bezeichnungen „West- und Ostmole“ versehen hat! Aber warten wir es ab, auch hier hat der „wind of change“ für die gesamte Liegenschaft sich noch nicht gelegt!
    Das Deutsche Marinemuseum würde die alten Schilder gerne in sein Archiv als Zeit – Zeugnisse übernehmen, die späteren Besuchern die Vorgänge und Diskussionen um die Neufassung des Traditionserlasses erlebbar werden lassen.

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  2. Ich bin seit fast 37 Jahren bei der Marine, aber ich habe immer über „die Wik“ gesprochen, noch nie „Tirpitzhafen“ gesagt. Als ich auf Mölders fuhr, lag die entweder an der „Außenmole“ oder am „Tabakschuppen“. Wohlgemerkt, das geschah nicht aus Absicht oder gar „political correctness“ (gibt es dafür eigentlich eine deutsche Übersetzung ?), es war – gefühlt – schon immer „maritime Umgangssprache“. Übrigens anders als in Flensburg, wo wir tatsächlich an der „Blücherbrücke“ lagen. Hier gab es bis zum vergangenen Jahr einen jährlichen „Treffpunkt Blücherbrücke“. Mitnichten wollten wir dadurch den Helden der Befreiungskriege in Europa ehren, wohl aber unsere eigene (sehr demokratische) Vergangenheit im 1. Minensuchgeschwader.

    Das Thema der „Benamsung“ wurde nach meinem Gefühl erst nach einem Regierungswechsel 1998 virulent, als plötzlich Zweifel an der Gesinnung eines Generalfeldmarschall Rommel aufkamen – sehr zum Protest seiner damaligen britischen Gegner übrigens, die dadurch ihr eigenes Leiden entehrt fühlten, hatten sie doch jetzt nicht mehr gegen den tapferen Helden und „Wüstenfuchs“, sondern gegen einen erklärten Nazi-Verbrecher ihre Schlachten verloren. Wir haben daraufhin den jüngeren und moderneren von drei Zerstörern zuerst außer Dienst gestellt – hoffentlich vorrangig aus wirtschaftlich-technischen Überlegungen.

    Ich erlebe derzeit hier in den USA, wie tief sich die Spaltung zwischen Nord und Süd auch 165 Jahre nach dem Bürgerkrieg noch immer darstellt. War die Rebell-Flag bis dato (belächelter) Ausdruck einer gewissen „Southern Identity“ (es spricht der Bayer !) und Lebensart („Redneck“), so steht sie nunmehr für Revanchismus, Rassismus und „Hateress“ (in etwa „Hasskultur“). General Lee ist nicht länger ein tapferer Kriegsheld und gewiefter Stratege, er ist jetzt Sinnbild für Rassismus und Spaltung. Die in allen Städten des Südens auf zentralen Plätzen stehenden Statuen von Lee, Jackson und Konsorten sind entweder bereits entfernt, vollgeschmiert oder stehen in Holzkästen versteckt. Nur wenige „konservative Kräfte“ kämpfen vor den Gerichten um deren Erhalt.

    Geschichte lebt ! Und entwickelt sich. Und für den Erhalt der historischen Erinnerung an des Kaiser’s Admirale haben wir das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven. – Moment mal: Wenn die Marine des Kaiser’s Admirale aus ihren Stützpunkten verbannt, müsste sie dann nicht folgerichtig ihren größten Stützpunkt aus des Kaiser’s eigener Stadt verbannen ?

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  3. Eher als kleine Ergänzung zum Thema Oskar Kusch meine Besprechung einer englischsprachigen Ausgabe beim USNI :

    U-Boat Commander Oskar Kusch. Anatomy of a Nazi-Era Betrayal and Judical Murder
    Eric C. Rust, U.S. Naval Institute Press, 15. September 2020, 384 S., $ 45,00
    25 Jahre nach Heinrich Walles Buch „Die Tragödie des Oberleutnant zur See Oskar Kusch“, das in seiner Bewertung gerade unter ehemaligen Angehörigen der Kriegsmarine einen Sturm der Entrüstung hervorrief, erscheint dieses Buch von Rust in der Serie „Studies in Naval History and Sea Power“ des USNI in Annapolis. Bereits im Buchtitel wird seine Bewertung der Ereignisse um Kusch im Zweiten Weltkrieg und insbesondere nach dem Krieg deutlich. Er bezieht sich dabei immer wieder auf Walle, der zu den Vorgängen ein Standardwerk verfasst habe.
    Rust, geboren in Lübeck, diente in der Bundesmarine und nahm 1971 ein Studium in Kiel auf. Er promovierte an der University of Texas in Austin und hat seit 1984 einen Lehrstuhl für Geschichte an der Baylor University in Waco, Texas inne. Schwerpunkt seiner Forschung ist deutsche Marinegeschichte und insbesondere U-Boot Kriegführung.
    Rust schildert in acht Kapiteln Lorient als deutschen U-Boot Stützpunkt, den Werdegang Kusch zum U-Bootskommandanten, den Werdegang des IWO von U-154. Abel, dem späteren Denunzianten, die 1. und 2. Feindfahrt von U-154, die Denunziation Kuschs durch Abel, das Untersuchungs- und Gerichtsverfahren sowie die 106 tägige Wartezeit Kuschs auf seine Hinrichtung.
    In Kapitel 9 verknüpft Rust die Skizzen in Kuschs Tagebuch über seine bevorstehende Hinrichtung mit dem Bild von Francisco de Goya – Die Erschießung der Aufständischen vom 3. Mai 1814 – im Prado von Madrid: einer schreienden Anklage gegen die Gewalt. Das Kapitel schließt mit der Exekution am 12. Mai 1944.
    Im Folgekapitel greift Rust die Erkenntnisse von Walle über das Unrechtssystem der Nazi-Zeit und der Vertuschungsversuche seiner Juristen nach Kriegsende und in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland auf. Dieses Vertuschungssystem wirkte fort bis in die 70er Jahre.
    Rust schließt seine Betrachtungen ab mit Hinweis auf etwa 33000 Hinrichtungen von Soldaten in der Nazi Zeit. Mehr als die von Walle bejahte Frage nach einer Zugehörigkeit zu einer breiteren Bewegung des Widerstands bewegt Rust die Frage, was das heutige Offizierkorps der Bundeswehr aus den Ereignissen um Kusch lernen könne.
    Da Walles Buch vergriffen ist und nicht neu aufgelegt wird, kann dieses Buch von Rust nur aufs Wärmste empfohlen werden. Kusch, ein rechtlich erst spät rehabilitierter Marineoffizier, hat seinen Platz im Traditionsverständnis der Bundeswehr gefunden.

    Heinz Dieter Jopp Barmstedt, im September 2020

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  4. Ich begrüße die Umbenennung. Sie ist richtig und kommt – eingedenk der Mitzeichnungslinien – eben zum jetzigen Zeitpunkt. Früher, die Marine hätte sich wohl den Vorwurf des Zeitgeistfähnchens im Wind eingehandelt. Später, der #Aufschrei wäre ähnlich gewesen wie aus gewissen Kreisen jetzt vernehmbar. Im Übrigen lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass die lautesten Stimmen in der Debatte eine gewisse Seniorität auszeichnet. Dies lässt den Schluss zu, dass die Umbenennung in Kreisen der aktiven Marine und damit bei den jüngeren Generationen im besten Fall unstrittig ist. Im schlechten Fall beduetet es allerdings, dass Tradition dort gar nicht diskutiert und gelebt wird – und damit diese hier vorgetragenen Abwägungen bedauerlicherweise eine abgehobene Elitendiskussion wären.

    Es stimmt schon, dass die Benennung nach Tirpitz und Scheer seit Jahrzehnten relativ unstrittig war. Beim Einlaufen in den Kieler Stützpunkt waren aber vermutlich ohnehin die Aussicht auf Landgang/Heimkehr, auf Kieler Woche und auf Kameradschaft wesentlicher als das Nachdenken über den Namen der Molenköpfe. Auch die Kielerinnen und Kieler haben kaum an der Benamsung Anstoß genommen; vielleicht auch, weil sie ein Dominoeffekt fürchteten, der zur Überprüfung zahlreicher Straßennamen in der Landeshauptstadt führen würde? Ich bekenne freimütig, dass ich über den Namen kaum gestolpert bin, allerdings aus dem einfachen Grund, dass ich ihn nie verwendete.

    Meiner Meinung nach ist „lebenslanges Lernen“ nicht zur erlaubt, sondern geboten. Immerhin wird in der Deutschen Marine ja auch kein Schiff mehr als „Rommel“, „Lütjens“ oder „Mölders“ zur See fahren. Es geht ja auch nicht um das mutwillige Streichen von Geschichte. Wir müssen uns kritisch mit ihr auseinandersetzen und können nur daran zeigen, wie sich unsere Gesellschaft verändert. Daher ist es zwar begrüßenswert, dass das Deutsche Marinemuseum Wilhelmshaven Zugriff auf die Hinweisschilder auf Tirpitz- und Scheermole angemeldet hat. Im Depot an der Nordsee sind sie gut aufgehoben, sinnvoller und wünschenswert wäre aber die aktive Auseinandersetzung vor Ort an der Kieler Förde. Hier wäre die selbsternannte Sailing City Kiel mal gefordert, ihr eigentümliches Fremdeln mit ihrer Geschichte und heutigen Rolle als Marinestadt zu überwinden. Vom Hinweis unterhalb des Bahnhofsschilds in Kiel Hbf über ein echtes maritimes Museum, in dem die Marine nicht nur verschämt am Rande präsentiert wird, über einen maritimen Erlebnispfad, der die wesentlichen Punkte maritimer Geschichte von Holtenau bis Laboe verknüpft und erlebbar macht, bis hin zu regelmäßigen wissenschaftlichen Veranstaltungen zu Marine-Geschichte und Gesellschaft liegen viele Vorschläge in der Schublade.

    Geschichte und Tradition ist, was wir – die maritime Community – daraus machen.

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  5. Da mein LB an die KN hier schon abgedruckt ist, kann ich es bei meiner Anerkennung (!!) für diese MF-Initiative belassen!
    Dieter Hartwig

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