Grafik der NVL Group "FDB424 - Polarnacht" zur Darstellung der zukünftigen Flottendienstboote für die Deutsche Marine.

Entwurf Flottendienstboot Klasse 424. Grafik: NVL Group

Flottendienstboote Klasse 424

Zu den zehn Rüstungsvorhaben, die vom Haushalts- und Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages am 6. Juli gebilligt wurden, gehören drei Flottendienstboote einschließlich einer dazu zählenden Ausbildungs- und Referenzanlage. Am 10. Juli 2023 kam es dann zur Unterzeichnung des Änderungsvertrages zwischen der Präsidentin des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Annette Lehnigk-Emden, und Tim Wagner, CEO der NVL Group, die als Auftragnehmer fungiert.

Planungsgeschichte

Bereits im Juni 2021 wurde der Vertrag über die Beschaffung von drei Flottendienstbooten der Klasse 424 mit einer Ausbildungs- und Referenzanlage Aufklärung zwischen dem BAAINBw und der NVL B.V. & Co. KG, damals noch Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG, geschlossen. Mit der parlamentarischen Billigung vom 6. Juli ging das Vorhaben von der Entwurfs- in die Realisierungsphase über. Der Gesamtauftrag hat nunmehr ein Volumen von bis zu 3,26 Milliarden Euro und wird aus Mitteln des Verteidigungshaushalts finanziert.

Flottendienstboote

Flottendienstboote der Deutschen Marine sind spezialisierte Einheiten zum Überwachen von See- und Küstengebieten mit elektronischen, hydro-akustischen und elektro-optischen Sensoren (Aufklärung). Die neuen Boote mit einer Länge von etwa 132 Metern und einer Verdrängung zwischen 3.500 und 4.000 Tonnen sollen die bisherigen Flottendienstboote der Klasse 423 ablösen. Die Fahrbesatzung der Boote soll bei 50 Personen liegen, die einzuschiffende Aufklärungsmannschaft ebenfalls bei ca. 50 Personen. Die Ablieferung der Klasse 424 soll im Zeitraum 2029 bis 2031 erfolgen - bereits 2027 wird der Marine die Ausbildungsanlage zur Verfügung stehen.

Neuansatz bei einem Marine-Rüstungsprogramm

Das Rüstungsprogramm der drei neuen Aufklärungseinheiten war in jüngster Vergangenheit von Irritationen begleitet. Für Aufregung sorgten Recherchen von SZ, WDR und NDR, denen zufolge sich die Beschaffung um 1,2 Milliarden Euro verteuere, denn nach dem Bundeshaushalt 2023, EPl 14, waren für die Flottendienstboote nur knapp 2 Milliarden Euro vorgesehen.

Folgender Hintergrund ist in der aktuell laufenden Neubewertung der Verfahren zur Rüstungsbeschaffung zu beachten: Das in der Vergangenheit angewendete Verfahren einer konstruktiven Leistungsbeschreibung gab dem Auftragnehmer konkret vor, wie und was gebaut werden soll - daraus resultierende Mängel und Fehlleistungen gingen zu Lasten des Auftraggebers. Das führte dazu, dass in der Bauphase eine Anzahl von Änderungsanträgen notwendig wurden und in das laufende Verfahren einzubringen waren, was wiederholt zu öffentlich zurecht kritisierten Bauverzögerungen und überdimensionierten Kostensteigerungen geführt hatte.

Um diesen Missstand künftig zu vermeiden, enthielt die funktionale Leistungsbeschreibung des ersten Vertrages durchaus spezifische Vorgaben zum Leistungsumfang der Boote, überließ aber dem Auftragnehmer die konkrete Umsetzung in technische Lösungen. In diesem Fall kam es zu mehreren Entwicklungsschleifen (Designloops), in die sowohl Auftragnehmer (Generalunternehmer) und die zuarbeitenden Gewerke (Unterauftragnehmer), als auch der Auftraggeber eingebunden waren, und an deren Ende die jetzige Bauspezifikation steht. Mit dieser iterativen Definition der Anforderungen an das System Flottendienstboot wird dem Auftragnehmer keine Vorgabe für die Umsetzung gemacht. Am Ende entscheidet das Unternehmen, wie die Konstruktion erfolgt. Etwaige Fehler in der Konstruktion gehen dann zu Lasten des Unternehmens.

Logischerer Ansatz

Innerhalb des gewählten eher kooperativen Ansatzes entschied sich das BMVg angesichts der Ereignisse ab Februar/März 2022 von einem reinen Design-to-Budget abzuweichen und den Kernauftrag der Einheiten, also Aufklärung, stärker zu betonen und neu gewonnene Erkenntnisse in die Spezifikationen aufzunehmen. Elemente wie technische Erfordernisse der Signalerfassung, Auslegung der Antennen, Durchhaltefähigkeit einschließlich sanitätsdienstlicher Versorgung, der Einsatz unbemannter Systeme, Selbstschutz oder Datenübermittlung wurden neu bewertet. Die Vorgehensweise einer funktionalen Beschreibung wurde bei der ersten parlamentarischen Behandlung im Sommer 2021 akzeptiert. Der Haushaltsausschuss verknüpfte seine Zustimmung mit einem sogenannten Maßgabebeschluss, zu dem eine Budgetobergrenze von knapp über 2 Milliarden Euro (Preisstand 12/2020) sowie der Termin für den Abschluss der Bauspezifikation gehörte. Dieser Maßgabebeschluss hätte eine Vertragsunterzeichnung ohne vorherige parlamentarische Würdigung ermöglicht.

Foto: NVL Group

Präsidentin BAAINBw, Annette Lehnigk-Emden, und Tim Wagner, CEO der NVL Group. Foto: NVL Group

Parlamentarische Kontrolle

Demgegenüber hatte sich das BMVg zu einer erneuten Behandlung im Bundestag entschlossen. Ausschlaggebend dabei waren nicht nur neu eingebrachte operative Erfordernisse, sondern vor allem die Preisentwicklung des Rüstungsvorhabens FD-Boot Klasse 424. Allein zwischen Juni 2021 und dem Jahresende 2022 kumulierten sich die Steigerungen der Einzelindizes (Rohstoffe, Energie, Industrieerzeugnisse) bis auf amtlich bestätigte 25 Prozent - dies allein eine Steigerung um gut eine dreiviertel Milliarde Euro (Statistisches Bundesamt).

Neue Verfahren Rüstungsbeschaffung

Insofern entspricht die gemeinsame Entwurfsentwicklung den lang geäußerten Verbesserungsvorstellungen im Beschaffungsprozess. Vielleicht gelingt es jetzt und besonders in diesem Fall, den Zeit- und Kostenrahmen eines Rüstungsvorhabens endlich einzuhalten. Dies wird sich allerdings erst in der Umsetzung unter Beweis stellen.

1 Kommentar

  1. Im Hinblick auf die künftigen Aufklärungsmöglichkeiten moderner Kriegsschiffe, wird es vollkommen überflüssig sein sogenannte Aufklärungsboote in der Größenordnung von Fregatten zu bauen. Kampfschiffe überleben künftig im See Kriegs Kampf nur dann, wenn sie selbst extrem schnell auf Situationen im Kampf gegen Luftstreitkräfte, Lenkflugkörper und Unterwasserkampfeinheiten reagieren können, bzw. durch eigene Aufklärung agieren können. Dass bedeutet, dass man das Flottendienstboot-Programm stornieren sollte, und die dafür notwendigen Mittel dafür verwenden sollte, unseren Fregatten und Korvetten modernere Aufklärungsmittel zur Verfügung zu stellen. Auch könnten diese Mittel dazu verwendet werden den geplanten Bau der MKS 180 zu beschleunigen, da diese Einheiten schon heute fehlen.
    Man könnte die Mittel sinnvollerweise auch dafür verwenden das Projekt U-212 CD auf vier Einheiten zu erweitern. Rate ich als ehemaliger U-Bootoffizier.

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