Improvisation im Schwarzen Meer – Landsysteme im maritimen Einsatz

Russische Korvette "Pavel Derzhavin" mit Tor-M2KM Luftabwehrsystem im Juni 2022. Quelle: https://mil.in.ua / Russische Medien.

Improvisation im Schwarzen Meer – Landsysteme im maritimen Einsatz

Obwohl sich der von Präsident Putin Ende Februar 2022 losgetretene Angriffskrieg gegen die Ukraine hauptsächlich an Land abspielt, trägt dessen maritime Komponente eine nicht weniger strategische Bedeutung für die beiden Kriegsparteien.

Dies wird deutlich durch die maritime Blockade der ukrainischen Küste und Hafenstädte durch Russland inklusive der dramatischen Entwicklung um den Export von Getreideausfuhren mit globaler Bedeutung, die anhaltende Projektion einer möglichen Anlandung russischer Streitkräfte von See her, der Nutzung des Schwarzen Meeres als Operations- und Abschussgebiet für russische Marschflugkörper und dem Ringen um die Schlangeninsel.

Vor diesem Hintergrund sind wir aufmerksam geworden als im Juni Bilder auftauchten, die eine russische Korvette der Wassili-Bykow-Klasse (Projekt 22160) mit einem taktischen Kurzstrecken-Flugabwehrraketen-System vom Typ Tor-M2KM auf dem Flugdeck des Schiffes festgeschnallt zeigten.

Das verwendete Tor-System wiegt etwa 15 Tonnen und wird von 2 Mann bedient, es besteht aus einem Modul inklusive Radar- und Feuereinheit und kann unabhängig von der Energieversorgung und Operationszentrale des Schiffes aus bedient werden. Auffällig war, dass das Modul im dunklen Olivton der Landstreitkräfte gehalten war und darauf verzichtet wurde, es optisch seinem maritimen Umfeld anzupassen.

Die Anwendung ist für sich genommen kein Zeichen von Mangel oder struktureller Inkompetenz – man kämpft mit der Ausrüstung, den Fähigkeiten und dem Personal, das man hat, und nicht das man gerne hätte. Fakt ist, dass die vier aktiven Einheiten der Projekt 22160 Klasse standartmäßig nur mit einem Starter für acht 9K338 Igla-S Luft-Boden Flugabwehrraketen mit einer maximalen Reichweite von etwa 6 Kilometern ausgerüstet ist. Das Tor-System erhöht die Luftabwehrfähigkeit gegen Flugzeuge, Helikopter, Drohnen und Flugkörper mit seinen 8 Raketen auf etwa 15 Kilometer.

Die Frage ist eher, wie nachhaltig diese improvisierte Lösung ist, und ob sie ihren erwünschten Zweck tatsächlich erfüllt. Gut möglich, dass das Luftabwehrsystem im maritimen Umfeld (Salzgehalt in Wasser und Luft) einem höheren Verschleiß als an Land ausgesetzt ist und hierdurch öfters gewartet oder gar ausgetauscht werden muss, was wiederum das Patrouillenboot öfters in den Hafen zwingt.

Screenshot eines Tor-M2KM Systems an Bord der russischen Fregatte Admiral Grigorowitsch im Oktober 2016. Quelle: Defence Blog auf Youtube, 2017.

Die russische Schwarzmeerflotte wird solch eine Improvisation nicht leichtfertig angeordnet haben: Beide Seiten haben Schläge ausgeteilt und eingesteckt, wobei man anmerken muss, dass die Ukraine als Land ohne nennenswerte Überwasserstreitkräfte – dafür mit anderen maritimen Fähigkeiten und vermutlich westlicher Aufklärungshilfe – ihre Schläge deutlich über der eigenen Gewichtsklasse austeilt.

Spätestens seit der Versenkung des russischen Lenkwaffenkreuzers Moskwa im April 2022 durch ukrainische Neptun-Seezielflugkörper und dem bis jetzt dauerhaften Verlust der Schlangeninsel Ende Juni für Russland nimmt man in Moskau die maritimen Fähigkeiten Kiews, im Schwarzen Meer mit Flugkörpern, Drohnen und eigenen Aufklärungs- und Führungsmitteln die Schwarzmeerflotte herauszufordern, ernst.

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