Jungfernfahrt der iranischen Marine

Mane obviligo

Sorgte schon die Passage russischer Atom-U-Boote für Furore, so steht die Einfahrt des größten Schiffes der iranischen Marine in die Ostsee in Begleitung einer iranischen Fregatte dem nicht nach. Seit Wochen verfolgten Schiffspotter den Kurs von zwei Einheiten der iranischen Marine mit unterschiedlichen Deutungen ihres Zieles. Am Morgen des 22. Juli passierte das Versorgungsschiff „Makran“ die Brücke über den Großen Belt. Ihr Begleitschiff, die Fregatte „Sahand“ war ihr da bereits einige Seemeilen voraus. Die beiden Einheiten werden den Iran an der Parade zum 325-jährigen Bestehen der russischen Marine vertreten. Ebenfalls am 22. Juli gab die iranische Nachrichtenagentur IRNA eine diesbezügliche Einlassung des Befehlshabers der iranischen Marine, Konteradmiral Hossein Khanzadi, bekannt. Er selbst wird sich nach St. Petersburg begeben. Tasnim News meldet das Einlaufen der iranischen Marineschiffe am Nachmittag des 24. Juli 2021 in St. Petersburg.

Der umgebaute Öltanker IRINS „Makran“, ist das größte Kriegsschiff der iranischen Marine. IRINS steht für Islamic Republic of Iran Navy Ship. In der iranischen Terminologie wird sie als ein Schiff einer vorgelagerten Unterstützungsbasis (‚forward base ship‘) bezeichnet. Über allgemeine logistische Unterstützung hinaus bestehen ihre Aufgaben – nach offiziellen Erklärungen – im Durchführen von Such- und Rettungseinsätzen (SAR-Missionen), in der Unterstützung des Einsatzes von Spezialkräften, in der Unterstützung für Schnellboote, im Nachschub von Kraftstoffen und anderen Versorgungsartikeln, in der Versorgung von Verwundeten und im „Transport und Betrieb von Radar- und Raketensystemen“. Letzteres ist die Umschreibung für seine Ausrüstung mit weitreichenden Flugkörpersystemen. So der Marschflugkörper ‚Shahid‘ (Märtyrer) (oder Shahid Abu-Mahdi al-Muhandis in der Langform) mit einer Reichweite von 1.000 Kilometern. Der ebenfalls eingerüstete Schiff-Schiff-Lenkflugkörper Ghadir (die navalisierte Form des von Lastwagen eingesetzten Land-Schiff-Lenkflugkörpers Ghader) verfügt über 330 Kilometer Reichweite. Der „Makran“ wird eine Aufnahmefähigkeit von sechs Speedbooten und/oder vier Mini-U-Booten (sogenannten Midget) zugeschrieben. Wobei die Aufgabe ‚Unterstützung von Schnellbooten‘ nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem, was hierzulande unter einem Schnellboottender verstanden wird. Die Speedboote sind mit Raketenwerfern 107 mm ausgerüstet. Die kleinen U-Boote sollen Spezialkräfte aufnehmen können, wobei 150 Mann dieser Truppe transportiert werden können. Hier bleibt anzumerken, dass in den Streitkräften Irans Spezialkräfte sowohl in den regulären Teilstreitkräften (Heer, Luftwaffe, Marine) als auch in den jeweiligen Organisationen (für Land-, Luft- oder maritimen Einsatz) der Iranischen Revolutionsgarden IRGC) vorhanden sind. Den Revolutionsgarden dient die im November 2020 in Dienst gestellte „Shahid Roudaki“ als Unterstützungsschiff (‚forward base ship‘), die kleiner als „Makran“ ist.

„Makran“ bietet Möglichkeiten für mehrere Hubschraubertypen: zwei AB 212, zwei ASH-3D 'Sea King' (U-Jagd und SAR), ein RH-53D 'Sea Stallion' sollen von ihr eingesetzt werden können. Zusätzlich ist „Makran“ in der Lage, unbemannte Drohnen zum Einsatz zu bringen. Nachgesagt wird das Mitführen eines unbemannten Luftfahrzeuges mit einer Reichweite von 1.200 Kilometern. In einem Propagandavideo wird der Start einer Drohne, mutmaßlich eine 'Pelican' VTOL UAV, vom Deck der „Makran“ gezeigt, ohne auf die operativen Fähigkeiten und die Einbindung in das Führungssystem des Schiffes weiter einzugehen. Das Schiff soll über voll ausgestattetes Schiffslazarett mit Krankenstation verfügen. „Makran“ wurde im Januar 2021 in Dienst gestellt.

Abmessungen IRINS „Makran“ (Hull-Nummer 441)

Länge (m) 230
Breite (m) 42
Tiefgang (m) 21,5
Verdrängung (t) 111 530
Geschwindigkeit (Knoten) 14,5

 

Die Fregatte „Sahand“ gehört zur Mowj-Klasse von denen seit 2010 vier Schiffe in Dienst gestellt wurden, drei weitere sollen sich in Bau befinden. Der iranische Eigenbau gilt als die modernste Kriegsschiffklasse des Iran. Baunummer 2 (mit der Hull-Nummer 77) wurde infolge einer Havarie ein Totalverlust. Wie die beiden Schwesterschiffe verfügt „Sahand“ (Hull-Nummer 74) über einen 76 mm Turm (Fajr), zwei Werfer des Schiff-Luft-Flugkörpersystems Mehrab, vier Ghadir Schiff-Schiff-Flugkörper zwei Drei-Rohr-Torpedowerfer. Ein sechsläufiges Nahbereichs-Flugabwehr-Geschütz (Kamand), 23mm-Geschütze (nicht gänzlich bestätigt) und zwei Düppelwerfer sind ebenfalls an Bord. Nach Jane’s haben alle vier Mowj-Schiffe unterschiedliche Radaranlagen. Alle sollen über ein Phased-Array-Radar verfügen. Zur Luftunterstützung verfügen diese Fregatten über den Helikopter Bell 214 in der U-Jagd-Rolle.

Abmessungen Fregatten Mowj-Klasse

IRINS „Sahand“ (Hull-Nummer 74)

Länge (m) 95
Breite (m) 11,1
Tiefgang (m) 3,25
Verdrängung (t) 1 500
Geschwindigkeit (Knoten) 30
Besatzung 140

 

 

Anfängliches Wirrwarr um die Absichten des iranischen Verbandes

Insbesondere US-Behörden gingen nach Auslaufen der Schiffe aus Bandar Abbas am 10. Mai 2021 davon aus, die Schiffe seien, als ein Ausdruck der sich vertiefenden Beziehungen zwischen Teheran und Caracas, auf dem Weg nach Venezuela. Es wurde anfangs angenommen, dass seitens Teheran die Absicht bestünde, die an Oberdeck befindlichen Boote an das (aus amerikanischer Sicht) ungewünschte Maduro-Regime zu liefern. Die Spekulationen wurden durch die Route um das Kap der Guten Hoffnung und ein längeres Verweilen vor der Küste Senegals geschürt. Eine Weiterfahrt ins Mittelmeer mit Ziel Syrien wurde unter den Experten erwogen. Letztendlich fuhren „Makran“ und „Sahand“ über den Golf von Biskaya, den Ärmelkanal und um Skagen in die Ostsee. Hinter der gewählten Route um die Nordspitze Dänemarks mag die Absicht stehen, nicht über Gebühr Informationen preisgeben zu wollen. Dieses Risiko hätte bei einer Passage des Nord-Ostsee-Kanals bestanden.

 

„Makran“ könnte vieles ermöglichen – mane obviligo

Bei der Einordnung der Reise der beiden iranischen Kriegsschiffe kaprizieren sich viele Beobachter darauf, dass es dem Iran endlich gelungen sei, den Beweis für ‚blue water operations‘ anzutreten. Die Ambition ist nicht neu. Schon im September 2011 kündigte der damalige Marinebefehlshaber, Konteradmiral Habibollah Sayyari, an, Marineschiffe im Atlantischen Ozean nahe der Territorialgewässer der Vereinigten Staaten zu stationieren. Ob die jetzige ‚Jungfernfahrt‘ der iranischen Marine tatsächlich als ein Indikator für zukünftige und dauerhafte weiterreichende Operationen der iranischen Seestreitkräfte zu werten ist, wird die Zukunft zeigen. Sicherlich ist es für die Marine und die Regierung in Teheran ein Ausdruck seiner maritimen Fähigkeiten und Beweis der Leistungsfähigkeit – allen westlichen Aversionen und Beschränkungen zum Trotz. „Die Gegenwart iranischer Schiffe im Atlantik ist ein Wendepunkt“ titelt Teheran Times am 15. Juni 2021.

Fakt ist allerdings, dass die „Makran“ sich als Mutterschiff in der freien See vor maßgeblichen Einsatzgebieten stationieren ließe. Sie bietet eine Plattform für dauerhaftere maritime Operationen in und außerhalb der iranischen Küstengebiete. Dies schließt humanitäre Einsätze, maritime Sicherheitsmissionen und Pirateriebekämpfung ebenso ein wie asymmetrische Operationen auf See oder von See an Land. Hier sei hervorgehoben, dass „Makran“ auch unkonventionelle Möglichkeiten des Waffeneinsatzes eröffnet. Von ihrem Deck ist der Einsatz containerisierter Flugkörpersysteme möglich, auch lastwagengestützte. Insofern muss nicht zwingend von eingerüsteten Waffensystemen ausgegangen werden. Andere Möglichkeiten verdeckter Kriegführung bestehen im Einsatz der an Oberdeck transportierten Speedboote. Im April 2021 erregte der Fall der MV „Saviz“ internationales Aufsehen als das iranische Schiff, das als Stützpunkt der Revolutionsgarde galt und seit Jahren im Roten Meer unter der jemenitischen Küste vor Anker lag, angegriffen wurde. Neben ihrer Rolle als Aufklärungseinheit galt die „Saviz“ galt als Mutterschiff für verdeckte Operationen.

Womit gerade hinter der Präsenz der „Makran“ in der Ostsee die Botschaft Teherans lauten mag: Bleibt wachsam, mit uns ist zu rechnen!

2 Kommentare

  1. Super informativ! Hab ich mal als „N2 Unterrichtung“ hier in meinem Bereich verteilt 😉

    Auch ein überzeugter Schnellboot und S.Boot Tender Fahrer 😉

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  2. Sehr schöner Beitrag!

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