Flottenparade 2021 vor Sankt Petersburg. Foto: MoD Moskau

Flottenparade 2021 vor Sankt Petersburg. Foto: MoD Moskau

Marineoffensive: Putin investiert Milliarden in die Marine

Am 11. April 2025 verkündete Russlands Staatspräsident Wladimir Putin ein umfangreiches Investitionsprogramm für die Marine der Russischen Föderation. Umgerechnet etwa 87 Milliarden Euro sollen in zehn Jahren (bis 2035) in neue Schiffe, U-Boote und modernste Waffensysteme fließen. Gemessen an westlichen Gesamtetats wirkt die Summe eher überschaubar, sie entfaltet jedoch im spezifisch russischen Kostenumfeld eine beachtliche Wirkung und stellt eine deutliche Investition in die russische Marine dar.

Der Versuch einer Einordnung

Moskaus jährliche Aufwendungen weisen im Haushalts-Kapitel „Nationale Verteidigung“ in den Jahren 2022 bis 2025 zwischen 4,2 und 5 Billionen Rubel aus (Finanzministerium der Russischen Föderation) – entsprechend etwa 44 bis 53 Milliarden Euro. Wegen zusätzlicher Haushalte, außerbudgetärer Fonds und gesonderter Kriegsausgaben schätzen internationale Institute die tatsächlichen Militärausgaben in 2024 auf rund 13 Billionen Rubel (etwa 135 Milliarden Euro), was 7 Prozent des russischen BIP entspräche (IISS, SIPRI).

Kaufkrafthebel

Der nackte Vergleich nomineller Budgets reicht jedoch für eine Einordnung nicht aus. Um die Verteidigungsausgaben verschiedener Länder vergleichen zu können, muss man die Kaufkraftparität (Purchasing Power Parity - PPP) betrachten. Weltbank‑ und IWF‑Indizes sehen das russische Preisniveau im Rüstungssektor auf rund der Hälfte westlicher Beschaffungskosten. Geringere Lohn‑, Energie‑ und Stahlpreise sowie staatlich kontrollierte Werften und Zulieferer bewirken, dass hundert Rubel im russischen Marineschiffbau deutlich mehr Stahl, Arbeitsstunden und systemkritische Komponenten vom Gefechtskopf bis zur Bordelektronik beschaffen, als ein Euro in Europa (Wechselkurs 100 zu 1 – grob vereinfacht).

Kaufkraftparitätisch gesehen wachsen die jährlichen Verteidigungsausgaben von umgerechnet 135 Milliarden Euro auf 370 bis 480 Milliarden Euro PPP – diese Bandbreite entsteht durch jeweils unterschiedliche PPP-Ansätze der Analyse-Institute – vergleiche IISS Military Balance 2024 und Weltbank PPP-Daten.

Sankt Petersburg, Parade auf der Newa. Foto: Staatl. Medien

Verteidigungsetats im Vergleich

Die USA veranschlagten für 2024 rund 820 Milliarden Euro (886 Milliarden USD) für Verteidigung, und für 2025 etwa 830 Milliarden Euro (895 Milliarden USD). Die EU‑Mitgliedstaaten gaben 2024 laut der Europäischen Verteidigungsagentur 326 Milliarden Euro für Verteidigung aus. Die Ausgaben der europäischen NATO‑Länder (ohne Türkei) summierten sich 2024 auf 446 Milliarden Euro (NATO). Der chinesische Verteidigungshaushalt liegt nominell bei ca. 232 Milliarden Euro, bzw. kaufkraftparitätisch in einem Korridor von 385 bis 465 Euro PPP.

Marineanteil der russischen Verteidigungsausgaben

Russische und westliche Analysten berechnen den Anteil für Betrieb, Modernisierung und Neubauten der Marine auf 10 bis 15 Prozent des russischen Verteidigungsbudgets. Bezogen auf die Gesamtausgaben sind das zwischen 1,3 und 1,9 Billionen Rubel pro Jahr – umgerechnet 14 bis 20 Milliarden Euro (CAST - Centre for Analyses of Strategies and Technologies, Moskau; IFRI - Institut Français des Relations Internationales, Paris).

Unklar ist, ob die am 11. April für den Zeitraum 2025 bis 2035 angekündigten Marine-Investition von 8,4 Billionen Rubel (87 Milliarden Euro) den regulären Marineetat tatsächlich aufstocken, oder es sich nur um ein weiteres Summenspiel bereits vorgesehener Ausgaben handelt.

Sollte der angekündigte Betrag als realer Aufschlag anzurechnen sein, stünden der Marine dann jährlich rund 840 Milliarden Rubel (8,7 Milliarden Euro) zusätzlich zur Verfügung. Ihr Etat stiege damit grob betrachtet um 50% des aktuellen Haushaltsansatzes – kaufkraftbereinigt könnte ihr bereits in 2025 ein Betrag von etwa 70 Milliarden Euro PPP zur Verfügung stehen. Das alles rechnerisch – und wenn es denn so käme!

Vergleich der Marinebudgets Europa und USA gegenüber China und Russland (Kaufkraft ausgeglichen). Quelle: IISS. Grafik: hum

Vergleich der Marinebudgets Europa und USA gegenüber China und Russland (Kaufkraft ausgeglichen). Quelle: IISS. Grafik: hum

Zahlenwerk – Marineetats im Vergleich

Zur Einordnung hier die Flottenbudgets 2024 ausgewählter westlicher Marinen (Basis: IISS, Military Balance 2025):

  • Deutsche Marine (DEU): 8,8 Milliarden Euro
  • Royal Danish Navy (DNK): 1,0 Milliarden Euro
  • Armada (ESP): 5,1 Milliarden Euro
  • Finlands Marinen (FIN): 2,0 Milliarden Euro
  • Marine Nationale (FRA): 11,2 Milliarden Euro
  • Πολεμικό Ναυτικό (GRC): 1,75 Milliarden Euro
  • Marina Militare (ITA): 6,1 Milliarden Euro
  • Koningklijke Marine (NLD): 1,5 Milliarden Euro
  • Royal Norwegian Navy (NOR): 1,3 Milliarden Euro
  • Marinha Portuguesa (PRT): 1,0 Milliarden Euro
  • Royal Swedish Navy (SWE): 1,6 Milliarden Euro
  • Royal Navy (GBR): 8,0 Milliarden Euro
  • US Navy (USA): 186,4 Milliarden Euro zzgl. 49,0 Milliarden Euro US Marine Corps.

Versuch einer Einordnung – Europa, Russland, China, USA

Die gesamten Marineausgaben der EU-Mitgliedsstaaten summieren sich im Jahr 2024 auf rund 55 Milliarden Euro, die der europäischen NATO-Staaten (ohne Türkei) auf etwa 65 Milliarden Euro. Für alle europäischen Marinen zusammen genommen werden ca. 75 Milliarden Euro aufgebracht.

Der russische Flottenetat liegt bereits nominell (14 bis 20 Milliarden Euro – ohne Ausgleich) über jeder einzelnen europäischen Marine. Gesamt betrachtet, wendet sich das Blatt: Unter Berücksichtigung der Kaufkraft (20 bis 40 Milliarden Euro) stünde der Russischen Marine lediglich dann ein höher wertiges Budget zur Verfügung, wenn die angekündigten Zuschlagszahlungen hinzugerechnet werden – um und bei 70 Milliarden Euro.

An das Budget der US Navy (190 bzw. 240 Milliarden Euro) rückt das der Marine der Russischen Föderation – auch gemessen an realer Beschaffungskraft – jedoch bei weitem nicht heran.

Mal über den Tellerrand geblickt: Das Budget der Russischen Marine läge auch mit Zuschlag unter dem Marineanteil des Verteidigungshaushalts der Volksrepublik China. Kaufkraftbereinigt stehen der PLA-N zwischen 120 und 130 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung.

Petersburger Parade Sommer 2022. Foto: Staatl. Medien Moskau

Petersburger Parade Sommer 2022. Foto: Staatl. Medien Moskau

Anzumerken ist, dass die Angaben der Military Balance 2025 des International Institute for Strategic Studies (IISS) nur für einige Staaten präzise Flottenbudgets liefern. Für Länder ohne klar getrennte Marinehaushalte werden belastbare Schätzungen herangezogen, um zum Anteil der Marine am nationalen Verteidigungshaushalt zu gelangen. Diese Anteile liegen meist zwischen 15 und 25 Prozent.

Fazit

Die angekündigten 87 Milliarden Euro für Investitionen der Russischen Marine bis 2035 mögen im globalen Vergleich nicht übertrieben erscheinen. In jedem Fall eröffnet ihr der Zuschlag Spielraum für Neubauten und Technologie-Produkte. Anzunehmen ist, dass Moskau seine Mittel fokussiert einsetzt und nicht den kompletten Marine-Rüstungssektor bedient, sondern in Flottenkomponenten investiert, die geopolitisch den größten Hebel versprechen: U-Boote, Hyperschallwaffen und Präsenz in der Arktis. 

Mit dem Ukrainekrieg stand bisher die Landkriegführung im Fokus – aktuell gehen geschätzte 70 Prozent des russischen Budgets an Heer und Flugabwehr. Die Marine erhält nach dem Geltungseinbruch durch Verluste im Schwarzen Meer demgegenüber nur noch 12 bis 15 Prozent des Verteidigungshaushalts. Durch Putins „Marineoffensive“ erfahren die Seestreitkräfte eine Aufwertung, die dem Land neue Perspektiven zur See eröffnen, bzw. vernachlässigtes Potenzial wieder aufbauen könnte. 

Wenn sich bewahrheitet, was angekündigt wurde.

30. Apr. 2025 | 0 Kommentare

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