Wie der NDR mitteilte, haben Brandermittler und Polizei im Rostocker Hafen ihre Untersuchungen auf dem havarierten Küstentankschiff "Annika" weitgehend abgeschlossen. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) teilte mit, dass die Ergebnisse nun analysiert und in einem Bericht zusammengefasst werden; bis zur Vorlage des Ergebnisberichtes werde es aber vermutlich mehr als ein Jahr dauern. Untersuchungsschwerpunkte sind, wo und weshalb der Brand entstanden sei und wie solche Situationen künftig vermieden werden können. Die BSU stuft den Vorfall als "schweren Seeunfall" ein. Dieser Schiffsbrand zeige laut Experten einmal mehr die Gefahren für das Ökosystem Ostsee.
Alle sieben Besatzungsmitglieder wurden durch die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) vom Schiff gerettet und in Krankenhäusern versorgt. Mehrere Besatzungsmitglieder hatten nach Angaben des Landkreises Rostock Rauchgas eingeatmet. Die Seeleute werden inzwischen durch die Deutschen Seemannsmission betreut und erhalten bei Bedarf eine psychosoziale Versorgung.
Rückblick
Auf dem mit 640 Tonnen Öl beladenen Frachtschiff war am Freitagmorgen des 11. Oktober 2024 einige Seemeilen nordöstlich von Kühlungsborn ein Feuer im Maschinenraum aus bisher ungeklärter Ursache ausgebrochen. Nach ersten Löscharbeiten war die 73 Meter lange "Annika" von Schleppern in den Rostocker Hafen gebracht und dort bis zum Samstagmorgen vollständig gelöscht worden.
Das Feuer hatte laut Havariekommando Cuxhaven offenbar das gesamte Heck des Schiffs erfasst. Die Ladung war aber nicht betroffen. Aus einsatztaktischen Gründen wurde entschieden, die Brandbekämpfung an einem Liegeplatz von Land aus fortzusetzen. Im Hafen habe man bessere Möglichkeiten für die Löscharbeiten gehabt als auf offener See, so das Havariekommando.
Nach dem die betroffenen Schiffsstrukturen abgekühlt und das Schiff Rauchfrei getestet wurde, hatten Ermittler ihre Suche nach der Brandursache begonnen. Die "Annika" liegt abgesichert im Überseehafen. Die Feuerwehr hat vorsorglich eine Ölsperre errichtet. Bei einer Prüfung des Unterwasserschiffes durch Taucher wurden keine Auffälligkeiten gefunden, wie beispielsweise Verformungen oder Farbveränderungen am Rumpf.
Reederei
Der 2012 in Wismar gebaute Öl- und Chemikalien-Tanker fährt unter deutscher Flagge und gehört zur Flotte der Hans Rinck GmbH und Co. KG mit Sitz in Niedersachsen. Wie ein Firmen-Sprecher auf Nachfrage von NDR Mecklenburg-Vorpommern erklärte, hatten Mitarbeiter des Unternehmens bisher keinen Zugang zum Schiff. Das Schadensausmaß sei deshalb nicht bekannt.
Erste Auswertung
Ein bei den Bergungsarbeiten eingebundener Experte berichtete von einer möglichen Verpuffung durch eine geplatzte Kraftstoffleitung im Maschinenraum, wodurch die Farblast (Aufbewahrungsraum für Farben und Lacke) in Brand geraten sei. Das müssten die Untersuchungen nun zeigen.
Zurzeit hielten sich nur eine Brandwache und eine Leinenwache an Bord auf.
Tägliche Bedrohung
Der Direktor des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) äußerte sich erleichtert über den schnellen Rettungseinsatz auf der Ostsee. Solch eine Situation sei besorgniserregend und die Gefahr bestehe weiter. Tag und Nacht seien gut 2.000 Schiffe mit gefährlicher Fracht oder Treibstoff im Tank in der Ostsee unterwegs. Darunter auch Tanker mit bis zu 100.000 Tonnen Ladung. Man müsse sich Gedanken machen, wie viel Schiffsverkehr auf der Ostsee gewollt sei, so der Direktor des IOW im NDR-Interview.
Konsequenzen
Derartige Havarien sind zwar selten, aber ein einzelnes mit Öl beladenes Schiff reicht aus, um Öko-Systeme nachhaltig zu stören. Dies war auch der Grund für die Etablierung eines Havariekommandos im Jahr 2003. Auslöser war die Pallas-Katastrophe. Der Holzfrachter „Pallas“ geriet mit über 750 Tonnen Öl an Bord im Oktober 1998 im schleswig-holsteinischen Wattenmeer in Brand und konnte bei stürmischem Wetter nicht gesichert werden. Ein Besatzungsmitglied starb. Das Schiff strandete schließlich südwestlich der Insel Amrum. Das Wrack liegt dort noch heute auf ca. sechs Meter Wassertiefe. Das Feuer konnte erst vier Wochen später endgültig gelöscht werden. Ein Ölteppich mit einer Ausdehnung von mehreren 100 Metern Breite und etwa 20 km Länge kostete tausenden Seevögeln das Leben.
Die gemeinsame Einrichtung von Bund und Ländern koordiniert als Havariekommando seither die Einsätze bei schweren Schiffsunglücken auf Nord- und Ostsee. Dabei lassen sich Havarien nicht immer verhindern, aber klar strukturierte Verantwortlichkeiten sind hilfreich, so die Lehre aus der Pallas-Katastrophe.
Weitere Informationen, auch zum Nachhören, finden Sie unter folgendem Link:
Brand auf Öltanker "Annika": Untersuchungen beendet
Quelle: NDR
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