Kein Abschied ohne Blasmusik. Foto: Bundeswehr/Julia Kelm

Kein Abschied ohne Blasmusik. Foto: Bundeswehr/Julia Kelm

Rotes Meer und EUNAVFOR Aspides: Fregatte "Hessen" ausgelaufen

Die tatsächliche Reise in das Einsatzgebiet begann mit dem Manöveranpfiff der Flugabwehr-Fregatte "Hessen" (F 221, Klasse 124) in der Wilhelmshavener 4. Einfahrt kurz vor zehn Uhr. Das Auslaufen erfolgte bei winterlich ruhiger See und mäßiger Sicht, aber das wird so wohl nicht lange bleiben.

Die Fregatte "Hessen" ist von der Marineführung in das Mittelmeer beordert worden, um sich nach erforderlichem Parlamentsbeschluss unverzüglich den Einheiten der EU-Operation Aspides (Schild) anschließen zu können. Die Teilnahme an diesem Einsatz unterscheidet sich von den Beteiligungen an den bisherigen EU- und NATO-Vorhaben dadurch, dass sie grundsätzlich einen "scharfen Waffengang" bedeutet: Ging die bisher geübte Abwehr von Bedrohungen von virtuellen Luft-, See-, Unterwasserzielen und Minen beziehungsweise Übungszielen aus, so wird es im Roten Meer jetzt die reale Bedrohung durch eine Vielzahl von Waffensystemen sein, die von den Huthi-Milizen mittlerweile regelmäßig gegen die Schifffahrt zum Einsatz gebracht werden. Fregattenkapitän Volker Kübsch (44), Kommandant der Fregatte, sowie Vizeadmiral Jan Kaack, Inspekteur der Marine, haben dies in Pressemitteilungen und persönlichen Interviews deutlich gemacht.

Wer macht's?

Ziel Rotes Meer und Golf von Aden, Fregatte "Hessen" auslaufend Wilhelmshaven, 4. Einfahrt. Foto: Bundeswehr/Julia Kelm

Bewaffnung und Ausbildungsstand waren für die Wahl der "Hessen" ausschlaggebend. Bis vor wenigen Wochen noch war die Besatzung der "Hessen" als Führungsschiff und Teil der Very High Readiness Task Force (Maritime) - VJTF(M), der schnellen Eingreiftruppe der Nato in der Nord- und Ostsee, gefordert. Zuvor hatte sie einen Schießabschnitt mit ihren Flugkörpern durchgeführt - davor war sie in amerikanischen Gewässern eine Zeit lang als Flugabwehr-Einheit für den Schutz des neuesten Flugzeugträgers der U.S. Navy, der "USS Gerald R. Ford" zuständig. Mit Nachdruck wurde in den letzten Tagen an Bord die Übungsmunition gegen volle Gefechtsbeladung getauscht, alle weiteren Bestände aufgefüllt und materieller Klarstand hergestellt, so dass bestmögliche Voraussetzungen für diesen Einsatz vorliegen. Nach einem Besuch an Bord und Gesprächen mit der Besatzung bescheinigte ihr der Inspekteur "professionelle Gelassenheit". Wenn's eine kann, dann die "Hessen".

Inspekteur Marine

Kaack: „Da wir dort in einen scharfen Waffengang gehen, davon muss man ja ausgehen, nach allem, was man dort sieht, kommt hier nur eine Einheit, ein Schiff in Frage, das sich durchsetzen kann von ihrer Bewaffnung und dessen Besatzung 100 Prozent ausgebildet ist, um mit dieser Bedrohung umgehen zu können. Die Fregatte "Hessen", die wir ausgewählt haben, ist darauf vorbereitet. Sie ist unser Goldstandard sozusagen, wenn ich das mal so sagen darf. Sie kommt aus der aktiven Führung einer Very High Readiness Joint Task Force Maritime. Was sie Besonderes hat, ist, dass ihre Radaranlagen und Waffen optimiert sind auf genau einen solchen Fall. Sie hat Anlagen an Bord, die etwa 400 Kilometer Reichweite haben und damit auch kleinste Kontakte aufnehmen können.“ Und in einem nachdenklichen Ton: "Es wird der ernsthafteste Einsatz der Deutschen Marine seither sein." Bedrückte Stimmung und düstere Mienen zum Abschied auf der Pier in Wilhelmshaven unterstrichen diese Aussage nur zu deutlich!

Operation Aspides

Derweil laufen in Brüssel bei der Europäischen Union die Vorbereitungen für die Operation EUNAVFOR Aspides auf vollen Touren. Nach den informellen Treffen erst der Verteidigungs- und dann der Außenminister (31. Januar und 2./3. Februar) fügen sich die Elemente langsam zusammen. Griechenland stellt mit Joint Force Command South Center Larissa das operationelle Hauptquartier (OHQ). Larissa ist EU-zertifiziert und wurde schon 2014 für eine EU-Operation genutzt (EUFOR RCA - Zentralafrikanische Republik). Italien hat angeboten, das operative Kommando in See an Bord einer seiner Einheiten zu übernehmen. Der weitgehend fertig gestellte Operationsplan sieht den Einsatz von mindestens drei seegehenden Einheiten für die Dauer von zwölf Monaten vor. Teilnahmemeldungen der Nationen liegen auch in ausreichender Zahl vor. Bliebe noch die Frage des Budgets zu klären - es werden zwischen acht und zehn Millionen Euro veranschlagt. Innerhalb der EU soll der Beschluss am 19. Februar im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ gefasst werden. War der Hohe Beauftragte Josep Borrell vor Tagen noch optimistisch, dass dann auch der Start erfolgen könne, so musste er sich aufgrund der deutschen Gegebenheiten in Geduld üben: Das Mandat des Deutschen Bundestages zur Beteiligung der "Hessen" an der EU-Operation kann nicht vor der Woche 19.-23. Februar erteilt werden.

Sensoren und Effektoren der Fregatte F124. Grafik: Deutsche Marine

Sensoren und Effektoren der Fregatte F124. Grafik: Deutsche Marine

Einsatzprofil

Der potentielle Einsatz der "Hessen" im Roten Meer wird nicht nur für Schiff und Besatzung ein Härtetest sein, er markiert für Deutschland auch ein weiteres Mosaikstück in der Zeitenwende. Nachdem die Huthis dieser Welt den freien Seeraum als neues Gefechtsfeld (Dimension See) erkannt haben, geht es jetzt darum, den ungeschützten, aber für die Industrienationen des Westens lebensnotwendigen Schiffsverkehr zu schützen. Benötigt werden Konvoi-Operationen und der Schutz von Einzelfahrern vor Angriffen aus der Luft und auf der Wasseroberfläche in der "Goalkeeper-Funktion" als "Fliegenfänger". Es geht auch um den Schutz einer Ansammlung von Handelsschiffen durch weiträumigen Waffeneinsatz und um Verbandsschutz im Zusammenwirken mehrerer Waffenträger im operativen Verbund. Keine Übung - alles scharf! Eine Waffenwirkung gegen Ziele an Land soll im EU-Mandat nicht enthalten sein - das wird dann denjenigen obliegen, die bereits ihre Eisen in das Feuer vor Ort geworfen haben. Es ist auch kein Kampf gegen Huthi-Milizen oder der Schutz der von ihnen terrorisierten Bevölkerung, sondern ausschließlich die Abwehr der Angriffe der Milizen aus dem jemenitischen Küstengebiet mit iranischen Flugkörpern und nachgebauten und eigens dafür hergestellten Raketen und Drohnen.

Radar-Reichweiten Fregatte F124 gegen Bedrohung im Luftraum. Grafik: Deutsche Marine

Radar-Reichweiten Fregatte F124 gegen Bedrohung im Luftraum. Grafik: Deutsche Marine

Gestaffelter Konvoischutz der Fregatte F124. Grafik: Deutsche Marine

Gestaffelter Konvoischutz der Fregatte F124. Grafik: Deutsche Marine

Erfolgsaussichten

Dass die Präsenz internationaler Seestreitkräfte die sichere Durchfahrt in der Region gewährleisten kann, wird von manchen Stellen bezweifelt. Zurecht, denn eine Abschreckung gegenüber den Huthi-Rebellen zieht nicht - schließlich wissen sie den Iran hinter sich und sie haben nichts zu verlieren. In den zurückliegenden Tagen kam es im Roten Meer und seinen Zugängen trotz mehrerer Wellen von Luftangriffen der USA und Großbritanniens zu neuerlichen Übergriffen der Huthis. Wenig eingeschüchtert beanspruchten sie am 7. Februar Anschläge auf zwei Handelsschiffe, die "Star Nasia" und "Morning Tide". Ein griechisches Handelsschiff meldete am 6. Februar eine Explosion an Bord. Am 5. Februar wurden nach Angaben des U.S. Central Command zwei unbemannte Überwasserfahrzeuge (Drohnenboote) neutralisiert. Die Bedrohung kann aber auch noch weitere Kreise ziehen und wieder das gesamte Seegebiet um die arabische Halbinsel erfassen, was Waffenreichweite und Nachversorgung aus dem Iran über See angeht. Und auch somalische Piraten beeinträchtigen erneut die Sicherheitslage.

Kommandant "Hessen" und Staatssekretärin Siemtje Möller. Foto: Bundeswehr/Julia Kelm

Deutschland in der Zeitenwende

Derweil übt sich die Berliner Politik in traditionell gemäßigtem Deutschlandtempo und hält sich an Verfahren und Regelwerk. Bereits Mitte Januar war absehbar, dass der Sitzungskalender die Verabschiedung des Bundestagsmandats nicht vor der Woche 19.-23. Februar ermöglichen wird - mit den dargestellten Auswirkungen auf EU und die anderen Nationen. Und entgegen des gerne bemühten Begriffes Parlamentsarmee hielten sich Bundestagsabgeordnete bei dem heutigen außergewöhnlichen Ereignis zurück. Neben der Wehrbeauftragten Eva Högl war nur die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Siemtje Möller zur Verabschiedung der Besatzung in Wilhelmshaven an Bord und auf der Pier.

Fregatte "Hessen" - an Oberdeck grüßt das Wappentier. Foto: Bundeswehr/Julia Kelm

Die "Hessen" ist mit einer Besatzungsstärke von etwa 250 Soldatinnen und Soldaten für das erste Kontingent Aspides von vorerst drei Monaten ausgelaufen. Dies schließt neben der eigentlichen Stammbesatzung sowohl das Flugbetriebsteam für zwei Bordhubschrauber Sea Lynx und zusätzliches Einsatzpersonal wie ein Ärzteteam, Soldaten des Seebataillons (für den Eigenschutz z. B. bei der Abwehr von Kleindrohnen und zur Bewachung im Hafen) sowie einen Militärpfarrer mit ein. Eine derartige Besetzung ist in Zeiten angespannter Personallage mit hohem Aufwand verbunden. Die Antretestärke in der Einsatzflottille 2, der die Fregatte angehört, liegt bei ungefähr 65 Prozent der Mannschaften und Unteroffiziere. Vor diesem Hintergrund ein kleines "Allemanns-Manöver" der Marine. Denn nebenbei geht es ja auch noch um Stabspersonal in den europäischen Kommandostellen Aspides, um Konvoispezialisten als militärische Berater und um eingeschiffte Marineoffiziere auf Handelsschiffen, wenn man den Schutz der Seeschifffahrt ernsthaft angehen will - so, wie es der militärische Rat des Inspekteurs Marine empfiehlt. Trendwenden hin und her - jetzt zeigt sich auch, dass gerade hochgelobte Trendwenden nur über geringe Feuerfestigkeit verfügen!

Noch ein Wort . . .

Seitens der Redaktion marineforum und marineforum.online begleitet die "Hessen" und ihre Besatzung der Wunsch, dass sie ihre Sache gut machen - und dann heil wieder nach Hause kommen. Wir bleiben dran und werden berichten - nicht immer sofort, aber sobald wir alle Fakten haben.

1 Kommentar

  1. Topp, alles gute, gute Fahrt 😘🎈

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