Amphibisches Angriffsschiff "Pjotr Morgunov" der russischen Ivan Gren-Klasse Foto: Michael Nitz

Amphibisches Angriffsschiff "Pjotr Morgunov" der russischen Ivan Gren-Klasse Foto: Michael Nitz

Russische Seemanöver im Mittelmeer – und weltweit

Amphibische Gruppe

Drei amphibische Landungsschiffe der Baltischen Flotte (Ropucha-Klasse, Projekt 775) bewegen sich seit einer Woche Richtung Mittelmeer und haben den Ärmelkanal passiert. Zwei weitere Ropuchas und ein Großes Landungsschiff der Ivan Gren-Klasse (Projekt 11711) der Nordflotte haben ihre Stützpunkte verlassen und konnten wetterbedingt erst mit Verzögerung die Nordsee erreichen und nach Süden weiterlaufen. Russland hat bekanntgegeben, dass angeblich bereits langfristig angekündigte Seemanöver im Mittelmeer das Ziel der Schiffsbewegungen seien. Es ist allerdings nicht klar, ob diese nicht ganz unerheblichen Landungskapazitäten letztendlich durchmarschieren sollen bis in das Schwarze Meer vor die Küste der Ukraine.

Landungsschiff "Kaliningrad" der russischen Ropucha-Klasse © Foto: Michael Nitz

Überwasser-Kampfgruppe Varyag

Im Golf von Oman stehen derzeit das Flaggschiff der russischen Ostflotte, der Kreuzer "Varyag" der Slava-Klasse, der Udaloy-Zerstörer "Admiral Tributs" und der Flottenversorger "Boris Butoma" der Chilikin-Klasse. Das russisch-chinesisch-iranische Manöver, an dem sie teilnehmen, soll Anfang dieser Woche beendet sein. Nach offiziellen Angaben werden diese drei anschließend ebenfalls Richtung Mittelmeer verlegen und mit den Landungsschiffen zusammentreffen. Fehlt jetzt nur noch etwas Aufklärungskapazität. Die wird offensichtlich in Form der vor Gibraltar gesichteten "Vasiliy Tatishchev" der Vishnya-Klasse herangeführt. Fertig ist ein Cocktail, der einen zart besaiteten Mittelmeer-Beobachter schon schwindlig machen könnte.

Russischer Kreuzer "Varyag" (Slava-Klasse) © Foto: Michael Nitz

Koordiniertes Übungsgeschehen

Für Russland beginnen in Kürze nicht nur dieses Mittelmeer-Übungsvorhaben, sondern gemäß der Pressemitteilungen eine umfangreiche Serie von Manövern weltweit, so auch im Nordatlantik und im Pazifischen Ozean. Daran seien über 140 Schiffe und 60 Flugzeuge beteiligt. Marine- und luftwaffenseitig würden Verfahren beübt, die „eine Wahrnehmung der nationalen russischen Interessen schützen und militärischen Bedrohungen entgegentreten“ sollen, so eine weitere Verlautbarung des russischen Verteidigungsministeriums.

"Admiral Tributs", russischer Zerstörer der Udaloy-Klasse © Foto: Deutsche Marine

Offene Fragen zum Manöverziel

Sind das „normale“ Übungsvorhaben? Regulär werden bei Truppenbeteiligungen von über 9.000 eine Meldefrist von sechs Wochen eingehalten, und bei Bewegungen von über 13.000 sind internationale Beobachter vereinbart. Abgesehen von den massiven Landstreitkräften vor der ukrainischen Grenze sowohl in Russland, als auch nach erneuten russischen Truppenbewegungen in Weißrussland – wozu die Verstärkung der amphibischen Offensiv-Komponente? Ablenkungsmanöver im Mittelmeer? Blockade des Zuganges zum Schwarzen Meer? Anlandung eventuell mitgeführter Truppen und Geräte an der Südküste der Ukraine? Sieht von oben gesehen wie eine „respektable“ Zange aus – bestenfalls eine bemerkenswerte Klammer! Das aktuelle Geschehen lässt da so einige Fragen unbeantwortet. Die kommende Woche wird Klarheiten schaffen.

Maritime NATO-Kräfte im Mittelmeer

Und genau in dieser Woche beginnen ab dem Montag im Mittelmeer die seit zwei Jahren geplante, dann wohl nicht mehr so ganz beabsichtigte und nun wieder aufgenommene NATO-Übung „Neptune Strike 2022“. Durchhalten und Entschlossenheit zeigen, oder Weiterreisen und vermeintlich Deeskalieren? Das Pentagon hat sich für einen Verbleib der Trägergruppe um den 100.000-Tonnen-Flugzeugträger "Harry S. Truman" der Nimitz-Klasse im Mittelmeer und die Durchführung dieser Übung entschieden. Neben dem Träger fahren die vier Arleigh Burke-Zerstörer "Bainbridge", "Cole", "Gravely", sowie die "Jason Dunham" im Verband. Unklarheit besteht allerdings noch in der Zusammensetzung der an der Übung beteiligten Kräfte. Zumindest soll der Träger vorerst im Gebiet verbleiben, um gewichtige Präsenz zu zeigen und Unterstützung für die NATO-Staaten am Mittelmeer zu demonstrieren.

Amerikanischer Träger "Harry S. Truman" (Nimitz-Klasse) beim Einlaufen in Souda Bay auf Kreta/Griechenland © Foto: US-Navy

Spanischer Beitrag

Spanien hat gerade aus Ferrol/Galicia die Fregatte "Blas de Lezo" der F100-Klasse (Alvaro de Bazan) und aus Las Palmas/Canarias das OPV "Meteoro" (Typboot der gleichnamigen Klasse) zur Verstärkung der NATO-Verbände mit Ziel Schwarzes Meer entsandt. "Meteoro" wird für die nächsten sechs Monate das Führungsschiff der SNMCMG2 (Standing NATO Mine Countermeasures Group 2) in den Seegebieten Mittelmeer / Schwarzes Meer sein. Ihr Auslaufen wurde wegen der aktuellen Spannungslage um drei Wochen vorgezogen. Bereits in die SNMCM2 im westlichen Teil des Schwarzen Meeres aufgenommen wurde seit Mitte der Woche das spanische Minenjagdboot "Sella" der Segura-Klasse.

Deutsche Beteiligung

Bereits vor einer Woche hat in Deutschland die letzte aktive F122-Fregatte "Lübeck" den Heimathafen Wilhelmshaven verlassen, um sich in die Standing Nato Maritime Group 2 (SNMG 2) einzureihen – allerdings nicht um in das Schwarze Meer einzulaufen, sondern um in der Ägäis mit der türkischen und griechischen Küstenwache sowie der europäischen Agentur für Küstenwache und Grenzschutz (FRONTEX) zusammen zu arbeiten und den für den illegal organisierten Flüchtlingstransfer genutzten Seeraum zu überwachen.

Und nun?

Es ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Verhärtung der Lage die näher an den Dardanellen gelegenen NATO-Staaten ad hoc weitere Einheiten in Bereitschaft nehmen und in Marsch setzen werden. In den Fokus gerät natürlich auch die Ostsee - nicht erst nach den präventiven schwedischen Truppenverlegungen nach Gotland. Detailliert zu beobachten wäre auch die Entwicklung des aktuellen Kräftedispositivs im Schwarzen Meer. Bisher aber überdecken die von Vizeadmiral a.D. Schönbach in Indien gemachten, kontroversen Äußerungen die maritime Nachrichtenlage.

1 Kommentar

  1. Danke fuer die informative und praegnante Zusammenstellung!

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