Atom-U-Boot der zukünftigen "Columbia"-Klasse als ballistischer Waffenträger. Grafik: U.S. Navy

Atom-U-Boot der zukünftigen "Columbia"-Klasse als ballistischer Waffenträger. Grafik: U.S. Navy

USA: Modernisierung des Atomwaffenarsenals

Deborah G. Rosenblum, im Pentagon für nukleare, chemische und biologische Verteidigungsprogramme zuständige Staatssekretärin, steckte am Freitag, 25. August 2023, in einer Pressekonferenz den neuen Kurs für die Modernisierung der US-Nuklearwaffen ab.

Ballistisches Interkontinental-Waffensystem "Sentinel". Grafik: US Air Force

Washington will unter anderem das Interkontinentalraketen-System "Sentinel" als Ersatz für die "Minuteman III", das ballistische Raketen-U-Boot (SSBN) der "Columbia"-Klasse als Ersatz für die derzeit in Dienst befindlichen SSBN der "Ohio"-Klasse und den B-21 "Raider" als Ersatz für den Bomber B-2A "Spirit" in Dienst stellen.

Vergleich B2A "Spirit" und B21 "Raider" in der Draufsicht. Foto/Grafik: US Air Force/B.Davies

Das Programm sieht neben der Modernisierung des Nuklearwaffenarsenals und der Träger auch Änderungen in den nuklearen Kommando-, Kontroll- und Kommunikations-Einrichtungen vor. Der Nuklearwaffenrat, der als offizielles Gremium aus Mitarbeitern des Verteidigungs- und des Energieministeriums die Nuklearprogramme des Landes überwacht, soll das Programm kordinieren.

Ballistische Interkontinentalrakete Trident 2 D5 beim Unterwasserstart von der USS Nebraska, 2018. Foto: US-Navy/R. Gutridge

"Unser Atomwaffenarsenal ist die Grundlage und das Fundament unserer Verteidigung, nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Verbündeten", sagte Rosenblum während der Pressekonferenz. "Und wir müssen über eine glaubwürdige Abschreckung verfügen, damit kein Gegner zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur mit dem Gedanken spielen könnte, der Einsatz einer Atomwaffe gegen die USA oder einen unserer Verbündeten könne in seinem Interesse liegen." Die Nuclear Posture Review 2022 als Teil der im Oktober 2022 veröffentlichten Nationalen Verteidigungsstrategie bestätigte unlängst die Triade ballistischer Interkontinentalraketen zu Land, Luft und See. Die strategischen, d.h. atomar bewaffneten U-Boote als der maritime Anteil der nuklearen Triade, gelten allgemein als die überlebensfähigste Komponente im Dreiklang des Abschreckungs-Potenzials der Vereinigten Staaten.

SSBN "Ohio"-Klasse (Ship Submersible Ballistic Nuclear)

Von den ehemals 41 strategischen U-Booten der USA wurden mit Ende des Kalten Krieges recht zügig 31 Boote der "Lafayette"-Klasse in ihren unterschiedlichen Rüstzuständen deaktiviert und außer Dienst gestellt. Gleichzeitig wurden von den noch im Bau befindlichen achtzehn Booten der "Ohio"-Klasse vier Boote wieder "zurückgebaut" zu SLBN (Ship Submersible Guided Missile Nuclear) mit einem Arsenal von bis zu 154 Marschflugkörpern "Tomahawk".

Lenkflugkörper-U-Boot USS Ohio (SSGN 726). Foto: U.S. Navy/J.A.King

Eine nach der Jahrtausendwende vorgesehene Außerdienststellung von weiteren vier Booten des ersten Bauloses wurde revidiert, als sich Russland mit der Ratifizierung des START II-Rüstungskontroll-Abkommens zur Reduzierung von Atomwaffen übermäßig viel Zeit ließ und zu sehr zögerte, mit der amerikanischen Absicht für ein Ende des atomaren Rüstungswettlaufs gleichzuziehen.

Jede der verbleibenden vierzehn Unterwassereinheiten der "Ohio"-Klasse - in der Marine auch als „Boomer“ bezeichnet - kann bis zu 24 ballistische Flugkörper Lockheed Martin Trident II D5 auf ihren Patrouillen mitführen. Jeder FK ist mit acht unabhängig voneinander seinen Zielen zuzuweisenden Nuklearköpfen von 475 Kilotonnen Sprengkraft bestückt. Der gleiche Flugkörper kommt auch auf den SSBN der britischen "Vanguard"-Klasse zum Einsatz.

Strategisches U-Boot USS Henry M. Jackson (SSBN 730) der Ohio-Klasse. Foto: U.S. Navy/V.Foley

Die fast 171 Metern langen und getaucht 19.000 Tonnen verdrängenden Boote sind die größten der USA. Aufgrund der globalen Reichweite ihrer ballistischen Flugkörper sind die Trident-Raketen sogar aus dem Schutz heimischer Gewässer einsetzbar. Wegen ihrer geräuschreduzierten Bau- und Fahrweise haben die SSBN jedoch die Möglichkeit, ihr Waffenarsenal auch bis dicht unter die generische Küste zu bringen. Das belässt dem Gegner nur noch eine sehr geringe Reaktionszeit - dieser strategische Vorteil wird allgemein bezeichnet als Erstschlagfähigkeit. Zudem sehr mobil und schwer zu orten, sind sie kaum durch einen Erstschlag des Gegners auszuschalten - und damit auch zweitschlagfähig, ganz anders als landgestützte strategische Systeme, deren Koordinaten üblicherweise längst aufgeklärt sind. Die Kombination beider Fähigkeiten hatte es bisher vermocht, den absurden Einsatz von Nuklearwaffen wegen der zwingend folgenden "mutual assured destruction" zu verhindern - der gesicherten gegenseitigen Vernichtung -, sollte eine Seite diese Waffen einsetzen wollen.

USS Henry M. Jackson (SSBN-730). Foto: US-Navy

Jedes U-Boot verfügt über zwei Besatzungen zu 155 Soldaten, "Blue" und "Gold", die abwechselnd die U-Boote auf ihren ausgedehnten Einsätzen "bemannen". Dabei dauert eine Patrouille meist zwei bis drei Monate, danach folgen drei bis vier Wochen Hafenliegezeit für kleinere Reparaturen und Bevorratung für den nächsten Einsatz. Aktuell sind die acht Boote der Pazifikflotte in der Naval Base Kitsap im US-Bundesstaat Washington beheimatet, die sechs Boote der Atlantikflotte sind in der Naval Submarine Base Kings Bay im Bundesstaat Georgia stationiert.

Da die Lebenserwartung der "Ohio"-Klasse mit 45 Jahren angegeben wird - zwischendurch muss der Antriebsreaktor grundüberholt und neu bestückt werden - steht die amerikanische SSBN-Flotte in dem kommenden Jahrzehnt vor einer Erneuerung.

SSBN "Columbia"-Klasse

Als Ersatz für die "Ohio"-Klasse sind zwölf neue SSBN der "Columbia"-Klasse vorgesehen, deren Bauprogramm seit 2013 immer wieder höchste Priorität zugeordnet wurde. Die Beschaffung der ersten Einheit wurde 2021 eingeleitet - die Beschaffung des zweiten Bootes der "Columbia"-Klasse ist im Haushaltsvorschlag der US Navy für das Jahr 2024 vorgesehen. Die Beschaffungskosten für das erste und zweite Boot werden mit etwa 15 bzw. 9 Milliarden (amerik.: billion) US-Dollar (14 bzw. 8,6 Milliarden Euro) veranschlagt. Dass die Beschaffungskosten des ersten Bootes höher als die der nachfolgenden Baunummern ausfallen, liegt daran, dass in der amerikanischen Systematik der größte Teil der Entwicklungs- und der Planungs-Kosten dem Typboot zugeschlagen werden. Noch geht die US Navy davon aus, dass die Baunummer 1 im Jahre 2031 zu ihrer ersten Patrouille auslaufen kann.

Columbia-Klasse Standard-Startsilo-Bausektion. Foto: Electric Boat Corporation

Die "Columbias" sollen bei nahezu gleicher Länge etwas breiter ausfallen und damit 21.000 Tonnen im getauchten Zustand verdrängen. Sie sollen auch nur noch mit 16 anstatt 24 Startsilos bestückt sein. Ihr Antriebsreaktor soll für die gesamte vorgesehene Lebensdauer von 42 Jahren unterbrechungsfrei laufen können. Außerdem wird beim Bau der Boote auf möglichst viele Segmente und Komponenten des dritten Loses der weiterhin gebauten "Virginia"-Klasse Angriffs-U-Boote zurückgegriffen, um Entwicklungs- und Materialkosten zu reduzieren. Trotzdem sind die Boote mittlerweile doppelt so teuer, wie zum Planungsbeginn vor 20 Jahren kalkuliert.

Das Typboot "USS District of Columbia" (SSBN-826) wurde vor einem Jahr bei der Electric Boat Corporation (General Dynamics) in Groton, Connecticut, auf Kiel gelegt - also die ersten Hüllensegmente zusammengefügt, wie das bei heutiger Bauweise üblich ist. Die Endausrüstung erfolgt dann am Quonset Point in Rhode Island, keine 50 Meilen östlich davon.

SIPRI-Jahrbuch 2023. Foto: SIPRI, Stockholm

SIPRI: Atomwaffenarsenale wachsen weltweit

Nach dem SIPRI-Jahresbericht (54. Ausgabe, Stockholm) verfügen die USA im Jahr 2023 über 3.708 Atomsprengköpfe plus 1.536 ausgemusterte Köpfe, die auf ihre Demontage warten. Russlands Atomwaffenarsenal umfasst insgesamt 5.899 verfügbare und ausgemusterte Atomsprengköpfe. Beide Länderhalten derzeit 90 Prozent des weltweiten Atomwaffenpotentials. Alarmierendes Ergebnis des Jahresberichtes ist die Zunahme einsatzfähiger Kernwaffen - nicht in den USA, aber in fünf der insgesamt neun Länder, die über Atomwaffen verfügen.

 

 

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