Dr. Reinhard Lüken, Bild: VSM

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VSM: Dramatisches Sicherheitsrisiko!

Verbandsnachrichten des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik benennt schrumpfende Werftlandschaft als dramatisches Sicherheitsrisiko

Dr. Reinhard Lüken, VSM Hauptgeschäftsführer, wird in seinem Editorial für die 85. Ausgabe der VSM-Verbandsnachrichten deutlich: er kritisiert die fehlgeleitete Schwerpunktsetzung der tagesaktuellen Berichterstattungen und verdeutlicht, dass die sicherheitspolitische Lage einen Schwerpunkt bilden muss. In diesem Zusammenhang nimmt die Werftindustrie eine wesentliche Rolle ein. Hier der Wortlaut:

"Die Themenkonjunktur in den Nachrichten und Talkshows zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion erinnern uns wieder daran: Es herrscht Krieg in Europa. Dabei haben wir es mit einem Gegner zu tun, der nach zunächst unerwartet starker Gegenwehr nun alle Energie auf dieses Thema lenkt. Wir dagegen gönnen uns endlose Debatten über Bauernproteste, Bahnstreiks und Lieferkettengesetze. Russland verwendet ein Drittel seines Staatshaushalts für das Militär, was knapp 8% seines BIPs entspricht. Die Bundesregierung ist stolz, endlich mal wieder das 2%-Ziel der NATO eingehalten zu haben. Ob uns das von nun an Jahr für Jahr gelingt, wie vom Bundeskanzler zugesagt, erscheint schon wieder sehr fraglich.

Die bisweilen abstrus wirkenden Debattenbeiträge von Links- und Rechtsaußen dürfen uns nicht davon ablenken, die Zeitenwende trotz aller Schwierigkeiten mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu verfolgen. Die Deutsche Marine macht das vorbildlich. Mit dem "Zielbild ab 2035" hat das Marinekommando in klarer Sprache die Anforderungen definiert und für deren Realisierung einen realistischen Zeitraum gewählt. Was fehlt ist das Verständnis der industriellen Anforderungen, die sich daraus ergeben. Denn ohne eine leistungsfähige Industrie kann keine Armee und keine Marine ihren Auftrag erfüllen.

Hierzu hat vor Kurzem das Wall Street Journal eine bemerkenswerte Analyse vorgelegt und kommt zu einer schlichten Feststellung: China’s Shipyards are ready for a protracted war. America’s aren’t. Der Grund sind industrielle Kapazitäten, die in Friedenszeit kommerzielle Märkte bedienen aber jederzeit militärische Bedarfe erfüllen können. In den USA ist die Navy der einzige nenenswerte Kunde der amerikanischen Schiffbauindustrie. China dagegen hat den Weltschiffbaumarkt in eineinhalb Jahrzehnten geradezu überrollt und drängt inzwischen auch Südkorea an die Wand: 2023 gewannen chinesische Werften 60% aller zivilen Neubauaufträge, Korea noch 23%. Europas Marktanteil betrug magere 2%, die der USA 0%. Der VSM weist auf diesen Tsunami seit 20 Jahren hin - ein Tsunami, der maßgeblich vom Westen finanziert wird: von Reedern und Banken und das sogar mit freundlicher Unterstützung des deutschen Fiskus.

Die Flut chinesischer Werften, v.a. aber die endlose Zahl der fachkundigen Arbeitskräfte sorgt nicht nur für einen schnellen Ausbau der chinesischen Marine, die zahlenmäßig die der USA längst überholt hat, sondern kann im Konfliktfall jederzeit für schnelle Nachlieferungen mobilisiert werden. Wie wichtig das ist, musste uns der Ukrainekrieg gar nicht erst verdeutlichen.

Auch das "Zielbild 2035" der Deutschen Marine bringt es klar auf den Punkt: „… Das geht einher mit leistungsstarken Waffensystemen potenzieller Gegner, die teils äußerst schwer abzuwehren sind. Für Reaktionen zur Abwehr bleibt immer weniger Zeit. Weil deswegen mit zusätzlichen Ausfällen im Gefecht zu rechnen ist, unterstreicht das den Wert von Quantität – die Masse machts.“

Der jahrzehntelange Trend einer schrumpfenden Schiffbauindustrie in Europa ist ein dramatisches Sicherheitsrisiko. Es abzustellen wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Um so mehr müssen wir damit endlich beginnen!"

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