Am 29. September 2021 wurde das erste kommerzielle Containerschiff mit CO2-neutralem synthetischem LNG in Brunsbüttel betankt. Damit ist die von der deutschen Reederei Elbdeich gehörende, in Limassol registrierte „ElbBLUE“ weltweit das erste Schiff, das nun mit synthetischem Erdgas (SNG) fährt.
Das 2012 in China gebaute Containerschiff mit einer Länge von 153 Metern und 13.200 Tonnen Verdrängung kann 1.036 Container transportieren. Das ursprünglich mit Schweröl betriebene Dieselmotor MAN 8L48/60B von MAN Energy Solutions wurde 2017 auf den MAN 51/60DF-Viertakt-Motor umgerüstet. Damals hieß das Schiff noch „Wes Amelie“ und erzeugte mit seinem Antriebsaggregat internationale Aufmerksamkeit. Der sogenannte Mehrstoffmotor ermöglicht den Einsatz von flüssigem Erdgas (LNG) als Kraftstoff. Bereits die Modernisierung des Motors führte selbst bei Verwendung herkömmlichen Treibstoffs zu einer Senkung der Emissionen. Die komplette Umstellung auf Gasbetrieb und der perspektivisch steigende Einsatz synthetischer Kraftstoffe wie SNG soll einen hundertprozentig klimaneutralen Betrieb ermöglichen.
Der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann MdB, sagte vor Ort: „Mit der erstmaligen Betankung eines Containerschiffes mit synthetischem, CO2-neutralem LNG machen wir einen großen Schritt in Richtung maritimer Klimawende und hin zum Zero-Emission-Ship. Denn Motoren, die heute fossiles LNG verbrennen, werden morgen mit klimaneutralem LNG betrieben. Mit der Betankung der „ElbBLUE“ sind wir bereits hier. Aus dem ‚morgen‘ ist ‚heute‘ geworden. Das ist ein echter Meilenstein!“
Die Euphorie des deutschen Politikers ist verständlich. Die Mitgliedsstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hatten sich auf ein Reduktionsziel für 2050 von mindestens 50 Prozent gegenüber 2008 verständigt. Seit 2019/2020 finden verschärfte Grenzwerte für Motoren Anwendung.
Betankung per Tankwagen
Die „ElbBLUE“ wurde mit 20 Tonnen SNG betankt, das in einer Power-to-Gas-Anlage im Emsland erzeugt und per Lastwagen angeliefert wurde. Im niedersächsischen Werlte baute MAN Energy Solutions für einen Automobilhersteller die weltweit erste industrielle Anlage ihrer Art. Erneuerbare Energie, die nicht ins Netz eingespeist werden kann, wird durch Elektrolyse zur Erzeugung von Wasserstoff und Sauerstoff verwendet. Im nächsten Schritt nutzt ein Methanisierungsreaktor Kohlendioxid, das aus den Emissionen der Anlage gewonnen wird. Damit wird das entstehende Methan zum CO2-neutralen SNG . Seit 2013 in Betrieb, kann der Power-to-Gas-Reaktor in Werlte bis zu 1.300 Kubikmeter grünen Wasserstoff pro Stunde erzeugen. 2021 konnte ein Anlage für die Verflüssigung von SNG in Betrieb genommen werden.
Die Bundesregierung fördert die Forschung und Entwicklung alternativer Kraftstoffe für Schiffe im Rahmen des Maritimen Forschungsprogramms 'MARITIME.green.Propulsion'. Neben LNG werden die zukünftigen Energieträger Ammoniak, Wasserstoff sowie Methanol im Hinblick auf ihre Einsatzfähigkeit in der Schifffahrt erforscht. Nach Aussagen des zuständigen Ministeriums für Wirtschaft und Energie stehen im nächsten Jahr 58 Millionen Euro zur Verfügung.
Nicht unumstritten ...
... ist der Einsatz von LNG. Europäische Gesetzgeber und Umweltschützer versuchten in der Vergangenheit, LNG aus der FuelEU-Schifffahrtsgesetzgebung herauszudrängen. Sie befürchteten, dass seine verstärkte Nutzung die Entwicklung von Energiequellen wie Batterien, Wasserstoff und Ammoniak verlangsamen würde.
Zugleich bauen viele Schiffsbetreiber auf LNG als eine <kurzfristige> Strategie zur Dekarbonisierung. Was zumindest mittelfristig in einer stärkeren Nutzung von LNG resultieren könnte. Manche sehen für die Zukunft in LNG den dominierenden Kraftstoff für Hochseeschiffe.
Die Berliner Euphorie relativiert sich dadurch, dass dass die "ElbBLUE" nicht vor Ort direkt versorgt werden konnte. SNG wird aktuell in wenigen Standorten produziert. Große industrielle Anlagen fehlen.
Mögliche Einsatzdomäne Marine
In den Marinen wird, so die Einschätzung der Experten, wird der Betrieb von Überwasserkampfeinheiten weiter stark von fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung abhängen. Die Flotten der Überwassereinheiten sind – bis auf die Flugzeugträger der französischen und der US Navy – auf fossile Brennstoffe angewiesen und „wird es mindestens für das nächste halbe Jahrhundert tun“, so Daniel Morris, Lead Analyst bei GlobalData Aerospace, Defence and Security, einem führenden Daten- und Analyseunternehmen.
Als nennenswerte alternative Antriebsart in Marinen ist die Brennstoffzellenanlage anzuführen. Darüber verfügen U-Boote der Deutschen Marine – neben dem konventionellen Dieselgenerator. U-Boote der französischen Marine, der Royal Navy und der US Navy sind nuklearbetrieben.
Die US Navy, die in vielen technologischen Entwicklungen eine Vorreiterrolle einnimmt, sieht einen Weg im Einsatz von Biokraftstoffen und Energieeffizienzmaßnahmen. Die Initiative ‚Great Green Fleet‘, die anfänglich (2009) durch die erwartete Kostenersparnis motiviert war, wurde 2016 erstmals implementiert. Das zur Flugzeugträgergruppe um die „USS John C. Stennis“ gehörende Landungsschiff der US-Marines „USS Makin Island“, die über ein dieselelektrisches Antriebssystem verfügt, wurde mit einer Diesel-Biokraftstoff-Mischung betankt.
Für die US Navy spielt die Erforschung alternativer Brennstoffe eine große Rolle. Sie verfolgt dabei die Philosophie, dass sie keine Änderungen an den aktuellen Flugzeug- oder Schiffssystemen nach sich ziehen. So setzt sie auf eine Mischung der konventionellen Treibstoffen mit den alternativen Kraftstoffe. Die Versuche der US Navy im Rahmen der ‚Great Green Fleet‘ führten zu einer Reduzierung des nicht-taktischen Erdölverbrauchs um 50 Prozent. Die Marineführung kalkuliert eine Ersparnis von 248 Millionen US-Dollar an Energiekosten durch die Maßnahmen der Energieeffizienz und die Verwendung von Biokraftstoffen über die gesamte Lebensdauer der „USS Makin Island“. Zu den möglichen energetischen Maßnahmen gehören schiffbauliche Veränderungen, z.B. im Propellerdesign, Unterwasserschiff (einschließlich Unterwasserschiff-Schutz), betriebsorganisatorische Eingriffe, Optimierungen im Energiemanagement an Bord.
Der Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe wie auch der Ansatz der US Navy erfordern internationale Kooperation, um die Interoperabilität weiterhin zu ermöglichen. Also zumindest Absprachen innerhalb NATO, EU (mil).
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