Optimismus an der Flensburger Förde: neue Aufträge kommen

Optimismus an der Flensburger Förde: neue Aufträge kommen

„Ihr könnt Euch auf mich verlassen!“

150 Jahre Flensburger Schiffbaugesellschaft: Geburtstag an der Förde

Bald wieder gut belegt? Die Schiffbauhalle der FSG

Die Zeiten, die hinter der FSG liegen, waren häufig von Pessimismus geprägt. Krisenstimmung prägte die letzten Jahre und mehrfach stand die traditionsreiche Werft vor dem Aus. Doch die alte Werft an der Förde schöpft aus der Kraft des Standorts, aus einem Fundus von starker Personalbindung, Einbettung in die Gesellschaft der Fördestadt, vis a vis von der Marineschule Mürwik, in Sichtweite eines uralten Hafens. Und es schwingt diese unerschütterlich norddeutsche Mentalität mit, dass man schlechtem Wetter gefälligst mit entsprechender Kleidung zu begegnen hat und dass Jammern nicht gilt.

Und nun feierte die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) am Sonnabend ihr 150-jähriges Jubiläum. Seit 1872 werden Schiffe gebaut, wurden insgesamt 750 Fracht-, Passagier- und Spezialschiffe von der Förde in die Welt geschickt. Vom Segelschoner, U-Booten, Frachtern, Containerschiffen und RoRo-Fähren war alles dabei, für die Marine Flottendienstboote, Rümpfe und Aufbauten von Tendern und Einsatzgruppenversorgern, sogar Forschungsschiffe verließen die Hallen am Westufer der Innenförde. Jahrzehnte fand man sich am Ostufer gegenüber ein, um unter Typhon-Geheul  Schiffe ins Wasser gleiten zu sehen: Eine Stunde schulfrei war da für die Pennäler der Schulen am Ostufer schon mal drin – oft auch ohne Wissen der Lehrer.

Geschäftsführer Phillip Maracke, Eigentümer Lars Windhorst, Oberbürgermeisterin Simone Lange, Stadtpräsident Hannes Fuhrig

Manchmal hieß es „Ende“, doch immer fand sich eine Lösung, so wie 2019, als die Tennor Holding des Investors Lars Windhorst einsprang. Als 2020 Insolvenz beantragt wurde, übernahmen mehrere zu Tennor gehörende Gesellschaften die Werft mit den rund 350 Beschäftigten. Der Neustart schien gelungen, nur Aufträge gab es noch nicht. Inzwischen hat sich doch noch viel bewegt und nach dem kritisch beäugten wirtschaftlichen Neustart kam der Neubau 782 zu Wasser. Der erste Stapellauf am 17. Juni ist eine 210 Meter lange RoRo-Fähre, die von Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange als Taufpatin auf den Namen „MV Tennor Ocean“ getauft wurde. Auftraggeber ist die IVP Ship Invest, ein Unternehmen Tennor Gruppe von Lars Windhorst. Verhandlungen zum Verkauf oder zur Vercharterung der Fähre sind noch nicht abgeschlossen. Das Schiff hat vier Decks, kann auf 4000 Meter länge LKW Anhänger aufnehmen, benötigt vergleichsweise wenig Kraftstoff und hat ein modernes Beladungskonzept. Der Typ ist von der FSG entwickelt und wurde bereits mehrfach gebaut -  es ist der RoRo-Typ 4100. Im Sommer soll die Inbetriebnahme und im Herbst die die Probefahrt stattfinden. Mittlerweile gibt es wieder externe Aufträge, auch in Zusammenarbeit mit der Werft Nobiskrug in Rendsburg, die ebenfalls von der Gruppe um Lars Windhorst übernommen wurde. Am Samstag fanden sich rund 2.000 Gäste auf dem Werftgelände ein. Mitarbeiter, Familien, und prominente Besucher hatten die Möglichkeit, sich die Anlagen und Gewerke von nahem anzuschauen – und auch die neue „Tennor Ocean“ zu besichtigen.

 

Bühne: Oberbürgermeisterin Lange, VSM Geschäftsführer Dr. Lüken, Geschäftsführer Maracke und Lars Windhorst

Wir bauen hier auch in 150 Jahren noch Schiffe

Gemeinsam in eine gute Zukunft? Oberbürgermeisterin Simome Lange und Investor Lars Windhorst

Optimismus klang denn auch in den Festreden an. Geschäftsführer Philipp Maracke, Geschäftsführer der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, erinnerte an die Geschichte der Werft, an die Tradition, die Höhen und Tiefen und die Stärken. Die letzten Jahre gab es schwere See, aber „es klart sich auf“ betonte er. Für die Zukunft sieht er drei große Chancen für die Werft: erstens die Zusammenarbeit mit Nobiskrug im Yachtbau, zweitens die Innovationskraft bei der Schadstoffreduzierung und drittens den Marineschiffbau. Bei letzterem spielte er darauf an, dass die Marine vom 100 Milliarden-Paket für die Bundeswehr profitieren wird und Aufträge zu vergeben hat.

Dazu wird man sich auch um den Bau des Forschungsschiffes Polarstern II bewerben. „In der 150-jährigen Geschichte der FSG hat der Bau von Marineschiffen immer eine Rolle gespielt. Die Konstruktion des größten Schiffes der Deutschen Marine ist hier erfolgt. Auch die drei im Einsatz befindlichen Flottendienstboote wurden hier entwickelt und gebaut, die Tender ebenfalls“, erläuterte er. „Für unsere Zukunftsstrategie spielt die Marine eine wichtige Rolle.“ Die Werft, so Maracke, habe in der Gesellschaft Flensburgs immer eine große Rolle gespielt, und man werde hier auch in 150 Jahren noch Schiffe bauen.

Kritische Fragen.

Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange war ebenfalls Gast der Jubiläumsfeier. „Diese Werft hat die vergangenen 150 Jahre überstanden, weil sie immer mit der Zeit gegangen ist und auf Qualität und Spezialisierung gesetzt hat. Deshalb hat sie auch eine Zukunft!“, sagt sie. Sie forderte Anwesende aus der Politik auf, die Botschaft auch nach Berlin zu tragen.

„China kann man nicht alleine schlagen“

Dr. Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer Verband für Schiffbau und Meerestechnik, sagte an Lars Windhorst gerichtet, er habe sich „eine alte Dame angelacht“, und hob die Tradition und das Selbstbewusstsein hervor. In bei ihm gewohnt klar kritischem Ton wies er auf die Herausforderungen hin: „explodierende Preise, Kosten der Inflation, dauerhafter Preisdruck aus China“ waren mahnende Worte an die Politik. „China kann man nicht allein schlagen, die Politik muss mithelfen“ sagte er deutlich.  Europa habe eigenen Bedarf und sei der größte Binnenmarkt der Welt, neue Chancen entstünden durch die Anforderungen an die Klimaneutralität.  20.000 Schiffe gelte es umzurüsten, Tanker für Wasserstoff zu bauen und neue Märkte damit zu erschließen. Auch die Ausstattung der Bundeswehr sei eine wichtige Chance. Vielleicht hilft ja, so Lüken, dass in der Bundesregierung viele Norddeutsche säßen und spielte damit auf Scholz und Habeck  an.

„Zeitenwende heißt auch zeitnah!“

Typ RoRo 4100 in RAL 7000. Macht eine militärische Nutzung Sinn?

Lars Windhorst bezeugt seinen großen Respekt für die Tradition und betonte, dass er als Unternehmer es gewohnt sei, Risken zu tragen. Er betonte am Beispiel LNG und die Entwicklung von Scrubber – Technologie die Innovationskraft der Werft, wobei sich bei LNG die Mienen nicht erhellten. Umso mehr jedoch bei seinem Ausblick auf positive Nachrichten: er kündigte neue Investitionen an, darunter den Erwerb des Schwimmdocks der Pella Sietas Werft, wobei er das Wort Insolvenzmasse mied. Ferner kündigte er die Zusammenarbeit bei Aufträgen der Nobiskrug Werft an und warb für Marineaufträge. Mit der Erfahrung und Kapazität könne man sofort anfangen, „Zeitenwende heißt eben auch, zeitnah!“ sagte er selbstbewusst. Vorher hatte er an die Mitarbeiter gerichtet, ein klares Bekenntnis mit den Worten „Ihr könnt Euch auf mich verlassen“ abgegeben.

 

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