Es war einer der größten Coups im Spanischen Erbfolgekrieg. Eigentlich hatte der britische Admiral Sir George Rooke beabsichtigt, im September 1702 mit einem englisch-niederländischen Flottenverband die Hafenstadt Cádiz als Flottenstützpunkt auf der iberischen Halbinsel zu erobern, war aber aufgrund disziplinarischer und taktischer Probleme mit seinem Landungsuntenehmen gescheitert. Als er sich bereits auf dem Heimweg befand, erreichte ihn Mitte Oktober die Nachricht, dass die aus Havanna kommende und eigentlich für Cádiz bestimmte spanische Silberflotte unter dem Kommando von Manuel de Velasco y Tejada mit französischem Geleitschutz in die Bucht von Vigo eingelaufen sei. Für Rooke war es eine einmalige Gelegenheit. Vom Oberbefehlsheber des niederländischen Geschwaders, Admiralleutnant Philipp van Almonde, zu einem Überraschungsangriff überredet, segelte man gemeinsam Richtung galizische Küste. Allerdings war man spät dran. Die Spanier hatten nämlich einen Teil ihrer kostbaren Fracht bereits löschen und fortschaffen lassen, von einem gefangengenommenen Mönch war indes zu erfahren, dass sich noch ein Großteil des Silbers an Bord der spanischen Galeonen befand. Also ließ Rooke die Bucht erkunden, um am Abend des 22. Oktober 1702 mit seinen niederländischen Verbündeten in die Ria de Vigo einzufahren. Obgleich die Eindringlinge von den umliegenden Festungen unter Beschuss genommen wurden und der Zugang zu den spanischen Schatzschiffen im Hafen von Redondela durch einen Ausleger mit Geschützbatterie blockiert war, ließen sich die Angreifer nicht abschrecken. Nach einer Beratung an Bord des Flaggschiffs ROYAL SOVEREIGN beschloss Rooke, aufgrund der beengten Verhältnisse auf ein klassisches Liniengefecht zu verzichten und stattdessen eine Abteilung von fünfzehn englischen und zehn holländischen Schlachtschiffen mit allen Feuerschiffen zur Attacke auszusenden – eine Taktik, die sich wenige Stunden später bewähren sollte.
Am frühen Morgen des 23. Oktober 1702 begann der Angriff. Eingeleitet wurde er von Vizeadmiral Thomas Hopsonn mit einem Rammvorstoß seines Flaggschiffs TORBAY auf den besagten Ausleger. Der Gegner war jedoch in der Zwischenzeit auch nicht untätig geblieben. So hatte der Befehlshaber des französischen Geschwaders, Admiral François-Louis Rousselet de Château-Renault, an beiden Enden und innerhalb der Sperre starke Kriegsschiffe postiert, die mit ihrer Breitseite die Einfahrt deckten. Eine weitere Bedrohung ging vom Fort Rande am südlichen Ende der Bucht aus, wo ebenfalls eine Geschützbatterie die Angreifer ins Visier nahm. Insgesamt waren die Befestigungen der Spanier mit mehr als 30 Kanonen bestückt, doch gelang es, diese mit Hilfe eines zwischenzeitlich dazugestoßenen Landungstrupps des Duke of Ormonde unschädlich zu machen. Vizeadmiral Hopsonn hatte indes weniger Glück. Seinem Flaggschiff gelang es zwar, den feindlichen Ausleger zu durchbrechen, doch ungünstige Windverhältnisse verhinderten das Nachkommen weiterer englischer und holländischer Schiffe und trieben die TORBAY mitten in das französische Geschwader. Die Schlacht endete dennoch mit einem überwältigenden Sieg für die britisch-niederländische Allianz. Die Spanier verloren bis auf fünf vom Feind erbeutete Fahrzeuge alle Schiffe, darunter drei Galeonen und mehrere Fregatten, Feuerschiffe und Transporter. Für die Franzosen war die Niederlage eine regelrechte Katastrophe, noch dazu eine mit politischen Folgen. Von ihren 15 Linienschiffen, zwei Fregatten und einem Feuerschiff wurden fünf Fahrzeuge gekapert, der Rest entweder vom Feind oder von ihnen selbst vernichtet. Hinzu kamen die hohen Verluste unter den Mannschaften. Während England und die Vereinigten Niederlande etwa 800 Tote zu beklagen hatten, fielen auf der Gegenseite 2000 Mann.
Der Sieg bei Vigo stärkte das Ansehen Englands als Seemacht und trug entscheidend dazu bei, dass die vormals mit Frankreich verbündeten Portugiesen 1703 mit der Unterzeichnung des Methuenvertrags der Großen Allianz beitraten. Die Freude der Sieger über die erbeuteten Schätze hielt sich hingegen in Grenzen. Da die Spanier schon vor dem Gefecht einen Großteil des Silbers mit einem Wert von etwa drei Millionen Pfund ins Landesinnere hatten transportieren lassen, blieb den Briten nur ein bescheidener Anteil mit einem Gegenwert von etwa 14 000 Pfund übrig. Ob und wie viel Silber während der Schlacht bei Vigo auf den Meeresgrund sank, ist nicht bekannt. Diesbezügliche Nachforschungen hat es von staatlichen Stellen wie von Privatpersonen mehrfach gegeben, zum Teil sogar mit kleinen Erfolgen. So gelang es im 19. Jahrhundert einer englischen Expedition, mittels einer Taucherglocke nicht nur einige verrostete Kanonenkugeln, sondern auch eine kleine Menge Silber aus dem Meer zu fischen. Andere Schatzsucher wie die American Vigo Bay Treasure Company gingen trotz großer Ambitionen leer aus. Ob es in der Bucht von Vigo tatsächlich so etwas wie einen Schatz im Silbersee gibt, bleibt ein Rätsel. Eines, das vielleicht nie gelöst wird.
Andreas von Klewitz studierte Slawistik sowie Ost- und Südeuropäische Geschichte und ist freischaffender Publizist
Andreas von Klewitz
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