Das unbemannte Überwasser- fahrzeug sea Hunter im Marinehafen von San Diego, Quelle: US Navy

Das unbemannte Überwasser- fahrzeug sea Hunter im Marinehafen von San Diego, Quelle: US Navy

Mit Flash-Bang-Modus

Auf einer Fachtagung wurden neue Ideen für die Ausrüstung maritimer Spezialkräfte vorgestellt. Damit lässt sich ihr Einsatzbereich deutlich erweitern.

Die alljährliche Fachkonferenz des Teilstreitkraft-gemeinsamen Spezialkräfteoberkommandos der US Streitkräfte (Special Operations Command, Socom) wurde in diesem Jahr erstmalig erweitert, um zusätzliche Interessentengruppen einzubeziehen. Unter der Bezeichnung SOF Week 2023 fand die Tagung im Mai in Tampa, Florida statt. Mehr als 15 000 Besucher – darunter viele Angehörige befreundeter Streitkräfte – wurden im Verlauf der Veranstaltung gezählt. Anziehungspunkte waren, neben den Vorträgen und Podiumsgesprächen, die mehr als 575 Aussteller aus der Rüstungsindustrie. Das Angebot umfasste auch viele Einsatzsysteme und Ausrüstungsteile für maritime Spezialkräfte.

Trotz der bereits hochwertigen Ausstattung sind Spezialkräfte (Special Operations Forces, SOF) ständig auf der Suche nach neuer Technologie, um den operativen Vorteil zu erhalten oder auszubauen. „Technologie verändert auf vielfache Weise die Einsatzmethoden der Spezialkräfte im maritimen Bereich“, erklärte Rear Admiral Keith Davids, Befehlshaber der Spezialkräfte der US Navy (Naval Special Warfare Command, NSWC), am Rande der Tagung. „Wir können heute in Gebieten operieren, die uns früher nicht zugänglich waren. [Technologie] vermittelt uns bessere Lagekenntnis. Sie ermöglicht bessere Kommunikation, nicht nur zwischen den Einsatzteams, sondern auch mit Sensoren und unbemannten Systemen. Sie erlaubt eine skalierte Waffenwirkung und steigert unsere Einsatzreichweite.“

Das USV Protector mit einer achternmontierten Abschussvorrichtung für Spike-Raketen, Foto: Rafael Das umschnallbare Schwimmhilfssystem Jet Boots, Foto: Patriot3

Das USV Protector mit einer achtern montierten Abschussvorrichtung für Spike-Raketen, Foto: Rafael

Davids wünscht sich von der Rüstungsindustrie vor allem noch leistungsfähigere Einsatzplattformen die den schnellen und verdeckten Zugang zu weiteren Einsatzgebieten ermöglichen, sowie Führungs- und Kommunikationssysteme, um störungsgeschützte taktische Netzwerke einzurichten. Autonome oder ferngelenkte Über- und Unterwasserfahrzeuge, die als Aufklärer, Versorger oder Waffenträger einsetzbar wären, bilden ebenfalls einen neuen Beschaffungsschwerpunkt, insbesondere für Einsätze in den Litoralgewässern.

Autonome Systeme         
Verschiedene autonome Systeme wurden im Rahmen der Tagung im Yachthafen des Kongresszentrums ausgestellt oder vorgeführt. Der Sea Hunter ist ein 40,6 Meter langes, 145 Tonnen verdrängendes unbemanntes Boot. Es wird derzeit von der US Navy im Rahmen von Flottenübungen getestet. Der Sea Hunter kann ferngesteuert werden oder autonom eine vorgeschriebene Route abfahren. Das von der Firma Leidos entwickelte, mit einer Vielzahl von Sensoren versehene Boot ist darauf ausgerichtet, bis zu 90 Tage auf See zu bleiben und dabei bis zu 10 000 Seemeilen zurückzulegen. Das Auftragsspektrum umfasst die Ortung und Verfolgung von Unterseebooten mittels Schleppsonar, allgemeine Aufklärungs- und Überwachungsaufgaben sowie weitere, nicht spezifizierte Unterstützungsaufgaben. Eine Bewaffnung des Bootstyps ist derzeit nicht vorgesehen, wäre jedoch grundsätzlich möglich. SOF-relevante Aufgaben wären Über- und Unterwasseraufklärung, die Versorgung von verstreut agierenden Einsatztrupps oder, bei entsprechender Ausstattung, elektronische Kampfführung.

Das elf Meter lange, unbemannte Festrumpfschlauchboot Protector wurde gemeinschaftlich durch Rafael, BAE Systems und Lockheed Martin entwickelt. Es hat eine Einsatzreichweite von 600 Meilen und erreicht bis zu 40 Knoten. Die Nutzlastkapazität beträgt mehr als zwei Tonnen, und umfasst unter anderem Kameras, Radar und einen Laserzielsucher. Das mit einem Rafael Mini-Typhoon Waffenträger ausgestattete Boot führt ein Maschinengewehr sowie zwei Spike Präzisionsraketen zur Bekämpfung von See- oder Landzielen. Diese Flugkörper lassen sich wahlweise mit panzerbrechenden Sprengköpfen oder Mehrzwecksprengköpfen ausstatten. Eine Eloka-Ausrüstung steht ebenfalls zur Auswahl. Spezialkräfte können den Protector als Aufklärungsplattform oder für Offensiveinsätze in größerer Entfernung zum Einsatzpersonal verwenden. Das luftverlegbare Boot kann in Litoralgewässern sowie auf Binnengewässern und Flüssen eingesetzt werden. Die Führung kann von einem Schiff, einem bemannten Boot oder von Land her erfolgen.

Typhoon und Spike lassen sich auch auf bemannten Booten der Spezialkräfte montieren. So werden die vier Mark-V-Schnellboote der griechischen Marinespezialkräfte mit der Raketenvariante Spike-ER 2 (Reichweite: 10 km) ausgestattet. Die aus Beständen des US NSWC stammenden Boote werden die Waffen auf dem Achterdeck führen. Die mit optischen und Infrarotzielsuchern ausgestatteten, allwettertauglichen Raketen haben eine geringe Radarsignatur und eignen sich für Überraschungsangriffe bei Tag und Nacht.

Der von Saab entwickelte 1,30 Meter lange Unterwasserroboter Sea Wasp kann vom Strand her oder von einem Boot aus eingesetzt werden. Hierfür sind lediglich zwei Personen erforderlich. Der Primärauftrag liegt in der Beseitigung von Minen und Unterwassersprengsätzen, doch lässt sich der Sea Wasp auch für Unterwassererkundung oder für die Untersuchung von Schiffsrümpfen, Pipelines und anderen Objekten einsetzen. Das Gerät ist mit einem Multifunktions-Greifarm, Videokameras und Sonar ausgestattet. Die maximale Einsatztiefe beträgt 150 Meter.

Das umschnallbareSchwimmhilfssystem Jet Boots, Foto: Patriot3

Das umschnallbare Schwimmhilfssystem Jet Boots, Foto: Patriot3

Die Firma Patriot3 stellte während der SOF Week 2023 erstmalig das Multimissionsunterwasserfahrzeug Hammerhead SMV (Subsurface Multimission Vehicle) öffentlich vor. Nach Firmenangaben ist das Gerät bereits bei einer kleinen Anzahl von US-Spezialeinheiten sowie bei einigen ausländischen Diensten im Einsatz. Hammerhead erreicht eine Tauchtiefe von 92 Metern und kann autonom agieren, mittels Fernbedienung oder direkt durch einen Taucher gesteuert werden. Dank der modularen Konfiguration lässt sich das Unterwasserfahrzeug für verschiedene Aufgaben optimieren. In der Standardkonfiguration besteht Hammerhead aus fünf Modulen: Navigation und Steuerung, Nutzlast, Führungssystem, Batterie und Antrieb. Mehrere Nutzlastmodule lassen sich den Einsatzanforderungen entsprechend hinzufügen, um Zusatzlufttanks, Waffen sowie Spezialausrüstung der Kampfschwimmer aufzunehmen. Sonar, Kameras und GPS dienen der Navigation in hindernisreichen Gewässern und ermöglichen es, das SMV zur Vermessung des Meeresbodens einzusetzen, etwa im Vorfeld eines amphibischen Einsatzes.

Persönliche Ausrüstung             
Patriot3 stellte auch das Antriebssystem Jetboots für Kampftaucher vor. Antriebsbatterie und Kontrollgerät werden mit einem Gurt um die Taille des Tauchers geschnallt. Batterie und Kontrollgerät sind per Kabel mit den beiden Schubdüsen verbunden, die an den Oberschenkeln des Tauchers festgeschnallt werden; die verstellbaren Düsen werden durch Direktstrommotoren mit geringem Lärmpegel angetrieben. Das System ermöglicht bis zu 3,9 Knoten Fahrt bei einer maximalen Tauchtiefe von 92 Metern. Die Lithium-Ionenbatterie speichert ausreichende Energie für bis zu sechs Stunden Einsatz, wobei die tatsächliche Einsatzausdauer von der Fahrtgeschwindigkeit abhängt. Ähnlich wie ein Tauchschlitten oder Tauchscooter reduziert Jetboots die Erschöpfungsgefahr während des verdeckten Anmarschs des Kampfschwimmers. Anders als beim Tauchschlitten hat der Soldat allerdings beide Hände frei, um Objekte zu manipulieren oder um Waffen und Sensoren einzusetzen. Auch Beweglichkeit und Reaktionsfähigkeit sind im Vergleich zum Tauchschlitten besser.

Jetboots lässt sich mit dem Dive Tablet 2 und der Navigationssoftware DiveLog von Shark Marine Technologies integrieren. Der Taucher kann hierdurch per Tablet laufend die Batteriestärke, die verbleibende Distanz und mutmaßliche Ankunftszeit am Ziel, sowie die gegenwärtige Position und Wassertiefe überwachen.

Die von Bounce Imaging hergestellte taktische Kamera Recce 360 vermag in jeder Umgebung 360-Grad-Video- und Audioaufnahmen zu machen. Recce 360 kann per Smartphone-App ferngesteuert werden und Bilder in Echtzeit an den Bediener und andere Teammitglieder übertragen. Die kugelförmige Kamera kann wie ein Baseball geworfen werden und ist so konzipiert, dass sie Spezialeinsatzkräften in komplexen Szenarien wie Geiselbefreiungen und im Anti-Terror-Einsatz ein zuverlässiges Lagebild vermittelt, während das Personal verdeckt bleibt. Die Kamera ist auch mit Infrarot- und Wärmesensoren sowie einem Flash-Bang-Modus ausgestattet, der Feinde betäuben und desorientieren kann.

Demonstration des Gravity-Jet-Anzugs in Tampa, Foto: SOF Wek

Demonstration des Gravity-Jet-Anzugs in Tampa, Foto: SOF Wek

Ein Firmenkonsortium bestehend aus Global Ordnance, Mountain Horse Solutions und Gravity Industries führte im Hafen von Tampa, in Sichtnähe des Tagungszentrums, einen Ein-Mann-Jet-Anzug vor. Das Fluggerät besteht aus einem 3-D-gedruckten modularen Raketenrucksack mit Miniatur-Gasturbinen und zwei armmontierten Schub- und Steuerdüsen. Gegenwärtig beträgt die maximale Flugzeit vier bis fünf Minuten, was etwa drei bis fünf Meilen entspricht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 80 Knoten, die Dienstgipfelhöhe bei 3700 Metern. Wie in Tampa gezeigt, lässt sich der Jet-Anzug auch von einem fahrenden Boot aus einsetzen. Das wendige Gerät ermöglicht es dem Soldaten, auf Dächern, an Land oder auf einem fahrenden Boot auch auf kleinstem Raum zu landen, sogar dort, wo das Abseilen aus einem Hubschrauber nicht möglich wäre.

Ausblick      
Die SOF Week 2023 ging aus einer jährlichen Fachtagung hervor, die primär ausgerichtet war, den Bedarf der amerikanischen Spezialkräfte mit der Rüstungsindustrie zu diskutieren. Allerdings erkennen auch die amerikanischen SOF, dass ihre Stärke zu einem wesentlichen Teil von der Zusammenarbeit mit befreundeten Kräften abhängt. Interoperabilität ist eine Voraussetzung für optimale Kooperation. „Wir müssen schneller als bisher vorgehen, um [neue] Technologien auch unseren Verbündeten und Partnern zugänglich zu machen“, erklärte Sophie Hill, Leiterin des Referats für Ressourcen- und Beschaffungsplanung im NSWC-Führungsstab. Umso wichtiger war die Teilnahme von Spezialkräften aus vielen Partnerstaaten an der diesjährigen Veranstaltung. „Diese Beziehungen kann man nicht aus der Ferne pflegen“, betonte Hill. Folglich soll die nächste Spezialkräftetagung in Tampa von vornherein international ausgerichtet werden.

Sidney E. Dean

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