„Yantar“ – Russisches Aufklärungsschiff auf Hoher See. Foto: Portugiesische Marine

„Yantar“ – Russisches Aufklärungsschiff auf Hoher See. Foto: Portugiesische Marine

„Yantar“: Russisches Aufklärungsschiff sorgt für Unruhe

„Yantar“ – Russisches Aufklärungsschiff: Aktivitäten zum Jahreswechsel 2024/25 und internationale Reaktionen

"Yantar" – Forschungsschiff oder Spionagegefahr?

Das russische Aufklärungsschiff "Yantar" sorgt erneut für Unruhe in europäischen Gewässern. Offiziell als ozeanografisches Forschungsschiff geführt, steht es unter Verdacht, kritische Unterwasserinfrastrukturen zu erkunden.

Westliche Sicherheitsanalysten beobachten das Schiff genau, da es für Spionageoperationen und Sabotage potenziell eingesetzt werden kann. Besonders beachtet wurde "Yantar" während seiner jüngsten Missionen rund um den Jahreswechsel.

Beobachtungen in europäischen Gewässern

Dezember 2024 - Spanien & Algerien

  • Mitte Januar wurde "Yantar" in dem Seegebiet zwischen Spanien und Algerien entdeckt.
  • Genau dort war am 24. Dezember das russische Frachtschiff Ursa Major gesunken, das für den sogenannten "Syrien-Express" bekannt war.
  • Ursache des Untergangs: Explosion im Maschinenraum. Angeblich waren wichtige Komponenten für den Bau eines russischen Atomeisbrechers an Bord.

Januar 2025 - Mittelmeer & Nordsee

  • Nach einem Hafenaufenthalt in Algier suchte "Yantar" vermutlich nach Wrackteilen der Ursa Major.
  • Am 17. Januar verließ das Schiff das Mittelmeer und wurde engmaschig von NATO-Seestreitkräften überwacht.
  • In der Straße von Dover wurde "Yantar" von britischen Fregatten HMS Somerset und HMS Tyne begleitet.
  • Am 24. Januar ankerte das Schiff im Kattegat nahe der Aalbek-Bucht.
  • Hier wurde es von dänischen Einheiten, darunter HDMS Niels Juel, überwacht.
  • Am 25. Januar setzte "Yantar" seine Fahrt in Richtung Murmansk fort.
HMS Somerset begleitet "Yantar" während der Passage des Ärmelkanals. Foto: Crown Copyright/Royal Navy

HMS Somerset begleitet „Yantar“ – Russisches Aufklärungsschiff während der Passage des Ärmelkanals. Foto: Crown Copyright/Royal Navy

Yantar und das Russian Directorate of Deep-Sea Research (GUGI): Eine geheime Mission?

Die „Yantar“ gehört zur Flotte des „Russian Directorate of Deep-Sea Research“ (GUGI), einer geheimen Abteilung der russischen Marine, die sich auf Unterwasseroperationen spezialisiert hat. GUGI betreibt sowohl spezielle U-Boote als auch Forschungsschiffe, darunter das große U-Boot „Belgorod“ sowie die Einheiten „Losharik“, „Kashalot“ und „Paltus“. Die Aufgaben dieser Flotte umfassen die Erkundung und Manipulation von Unterwasserinfrastrukturen sowie Aufklärungs- und Sabotageoperationen.

Direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt, hat GUGI seinen Hauptsitz in Sankt Petersburg und eine Marinebasis in der Olenya-Bucht auf der Kola-Halbinsel.

Yantar“ ist die Baunummer 1 des Projekts 22010, "Kruys" (Kreuzfahrer), und wird in der russischen Terminologie als ozeanografisches Forschungsschiff für die Erkundung der Weltmeere sowie Such- und Rettungseinsätze geführt. Sie lief am 14. Dezember 2012 bei der Yantar Werft, Kaliningrad, vom Stapel und wurde am 23. Main 2015 in Dienst gestellt. Zur Ausrüstung gehören autonome Tiefseefahrzeuge der Projekte 16810 "Rus" (angegebene Tauchtiefe 6.000 Meter) und 16811 "Consul" (Tauchtiefe mit 6.500 Metern angegeben).

Mittlerweile sind zwei Schwesterschiffe in Auftrag gegeben. "Almaz" wurde im Juni 2016 kielgelegt. Im Februar wurde ein drittes ozeanografisches Forschungsschiff , die "Vizeadmiral Burilichev" als Projekt 22011 bei der Wyborg Werft auf Kiel gelegt.

„Yantar“ – Russisches Aufklärungsschiff. Foto: Yantar-Werft

Technische Daten:

  • Verdrängung: 5.200 Tonnen
  • Länge: 108,1 m | Breite: 17,2 m
  • Geschwindigkeit: 15 Knoten
  • Reichweite: 8.000 Meilen
  • Autonomie: 60 Tage
  • Besatzung: 60 Personen

Versuch einer Analyse

Hinsichtlich des Aufenthaltes der "Yantar" zwischen Skagen und Frederikshavn stellt sich die Frage, ob das Beziehen einer Schutzreede der wirkliche Grund des Aufenthaltes in dem Seegebiet zwischen Dänemark und Schweden gewesen sein könnte. Das Schiff, das in der Lage ist, Unterwasserdrohnen und -arbeitsgerät auszusetzen und zu operieren, wird von westlichen Analysten als Bedrohung für kritische Infrastrukturen auf dem Grund der Ozeane angesehen. OSINT-Beobachter gehen nicht von einer „Weather Avoidance“ im Kattegat aus. Womit eine Erkundungsoperation in den Bereich des Möglichen fällt, zumal die „Yantar“ nach ihrem Verbleib in der Aalbek Bucht ihre Fahrt nach Norden fortsetzte.

Die Bedeutung der Unterwasserüberwachung im Kontext der globalen Sicherheitsarchitektur setzt sich als Schwerpunkt maritimer Aktivitäten immer mehr durch. Übrigens ist das nichts Neues. Im späten 19. Jahrhundert legte das Britische Empire ein weltweites Unterseekabel-Telegraphensystem an, das als All-Red Line bekannt war. Mit Blick auf die Verwundbarkeit durch Angriffe überwachten die Briten ihre Kabel und Kabel-Landestationen, um sicherzustellen, dass sie vor feindlichen Eingriffen geschützt waren. Schon im Pazifik-Krieg zwischen Chile und Bolivien-Peru 1879-1883 wurde Peru weitgehend von der Weltkommunikation abgeschnitten, als das Seekabel von Lima nach San Francisco zerstört wurde. Ebenso wie das deutsche Kaiserreich zu Beginn des Ersten Weltkriegs: Das britische Schiff HMTS Alert durchtrennte im August 1914 die deutschen Kabel, die von Emden nach Frankreich, Spanien, Afrika und Amerika führten, was die internationale Kommunikation Berlins beeinträchtigte.

Reaktionen Großbritanniens: Auftauchen!

Bereits im November 2024 hatte die „Yantar“ die Aufmerksamkeit der Royal Navy auf sich gezogen, als sie sich in der Irischen See in der Nähe kritischer Unterwasserinfrastrukturen aufhielt. Im Januar 2025 intensivierte Großbritannien seine Überwachungsmaßnahmen angesichts der erneuten Aktivitäten der „Yantar“. Die Royal Navy hielt enge "Tuchfühlung" mit dem russischen Schiff während dessen Durchfahrt durch den Ärmelkanal und setzte Aufklärungsdrohnen sowie Überwachungsflugzeuge ein.

Ein besonders bemerkenswertes Manöver der Royal Navy erfolgte mit dem Entsenden eines Jagd-U-Boot der Astute-Klasse in die Nähe der „Yantar“. Das britische U-Boot tauchte sprichwörtlich in Rufweite des russischen Schiffes auf. London reagierte zudem mit der Entsendung des Unterwasser-Interventionsschiffs „Proteus“, das speziell für die Überwachung des Meeresbodens und den Einsatz von Robotern umgebaut worden war.

Mit diesen Maßnahmen unterstreicht London seine Entschlossenheit, die Überwachung und den Schutz sensibler Seegebiete nicht mehr auf die leichte Schulter zu nehmen. Es gilt, jegliche potenzielle Bedrohung zu identifizieren und Sabotageakte zu verhindern. Verteidigungsminister John Healey erklärte am 22. Januar 2025 vor dem House of Commons: „Mr. Putin: Wir sehen Sie. Wir wissen, was Sie tun. Und wir werden nicht vor harten Maßnahmen zurückschrecken, um dieses Land zu schützen.“ Womit er zum Ausdruck bringen will, dass Großbritannien in der Lage ist, russische Aktivitäten unter Wasser jederzeit zu überwachen und gegebenenfalls zu kontern.

RFA Proteus auf Tuchfühung mit der "Yantar"in britischen Gewässern. Foto: Crown Copyright/Royal Navy

RFA Proteus auf Tuchfühung mit der "Yantar"in britischen Gewässern. Foto: Crown Copyright/Royal Navy

RFA Proteus - eine mögliche Antwort in hybrider Kriegführung

Speziell für diese Aufgabe hat sich die Royal Navy mit der „RFA Proteus“ eine Plattform zugelegt. Das 98 Meter lange, 20 Meter breite und fast 6.000 Tonnen schwere Schiff, das im Dezember 2019 von der Vard-Werft im norwegischen Brattvag an die Topaz Energy and Marine, VAE, ausgeliefert wurde, ist für Unterwasserarbeiten konzipiert. Auf seinem 1.000 Quadratmeter großen Arbeitsdeck finden 1.400 Tonnen Ausrüstung Platz, die es mit einem 120-Tonnen-Kran verschiften kann. Der Einsatz der ROVs kann über den Kran oder einen Moonpool (Bodenöffnung innerhalb dees Schiffsrumpfes) erfolgen. Mit dieser Plattform hat sich die Royal Navy ein für den Schutz kritischer Infrastruktur in der NATO bisher noch einzigartiges Interventionsmittel geschaffen.

Die "RFA Proteus" ist eines von zwei Schiffen, die für die Royal Navy im Rahmen des Multi-Role Ocean Surveillance (MROS)-Programms in 2023 erworben wurden. Die ehemalige "Island Crown" wird zukünftig als "RFA Stirling Castle" ihre Einsätze fahren.

Fazit: Wie gefährlich ist das Spionageschiff „Yantar“ für die NATO?

Der Auftritt der „Yantar“ mag kontrovers bewertet werden. Es gilt das Recht zur freien Nutzung der Hohen See – und, ob man es mag oder nicht, die Unschuldsvermutung. Angesichts zunehmender Zwischenfälle an Unterseekabeln, Pipelines und Stromleitungen werfen Aktivitäten wie die der „Yantar“ jedoch schwerwiegende Fragen auf und wecken Verdachtsmomente auf. Russland weist die Sabotagevorwürfe zurück. Trotz der offiziellen Erklärungen bleibt das Verhalten des Schiffes verdächtig und bedarf weiterer intensiver Beobachtung und Analyse. Für den Westen steht angesichts der mutmaßlich hybriden Kriegführung durch Moskau viel auf dem Spiel. Der Schutz lebenswichtiger Unterwasserinfrastrukturen ist unerlässlich – im nationalen Rahmen wie innerhalb der NATO und der EU.

Beschattungsmaßnahmen und energisches Auftreten dienen der Lagebilderstellung und ermöglichen das Erkennen von Strukturen in den Verhaltensweisen. Plattformen wie die „RFA Proteus“, die in der Lage sind, Unterwasserinstallationen zu überwachen und bei Bedarf Eingriffe in großen Tiefen durchzuführen, sind in NATO und EU noch Mangelware.

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