"Christophe de Margerie" lädt am Terminal Yamal-LNG. Foto: Hanwha Ocean, vormals Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering (DSME) Südkorea

"Christophe de Margerie" lädt am Terminal Yamal-LNG. Foto: Hanwha Ocean, vormals Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering (DSME) Südkorea

Russlands LNG-Projekte kommen trotz Sanktionen voran

Der größte russische Hersteller von Flüssigerdgas (LNG) Novatek hat trotz US- und EU-Sanktionen den ersten Strang seines Projektes „Arctic LNG 2“ fertiggestellt. Erste LNG-Lieferungen sollen bereits im ersten Quartal 2024 verschifft werden.

Steckbrief

Arctic LNG 2 wird über drei Produktionsstränge verfügen, die insgesamt 19,8 Millionen Tonnen pro Jahr produzieren können. Jeder Strang hat damit eine Kapazität von 6,6 Millionen Tonnen. Die beiden weiteren Produktionslinien sollen voraussichtlich bis 2026 in Betrieb gehen. Besonderheit: Jede Produktionslinie wird nicht, wie sonst üblich, fest im Permafrostboden gegründet, sondern auf so genannten schwerkraftbasierten Strukturen (gravity-based structures - GBS) im Golf des Ob schwimmend gelagert.

Strategie

Das Projekt „Arctic LNG 2“ ist das zweite Großprojekt, das Novatek in der nordsibirischen Arktisregion auf der Halbinsel Gydan nördlich des Polarkreises durchführt. Dazu gehört auch das bereits fertig gestellte Projekt „Yamal LNG“ auf der gegenüberliegenden Halbinsel Yamal. Beide Projekte sind entscheidend für Russlands Ziel, seine LNG-Produktion bis zum Ende des Jahrzehnts auf 100 Millionen Tonnen mehr als zu verdreifachen.

Die Exporte von Arctic LNG 2 könnten das Gesamtangebot erweitern und zur Deckung des Energiebedarfs in der Welt - und insbesondere Europas – beitragen, denn auch Europa importiert nach wie vor erhebliche Mengen an russischem LNG.

Über die Nordostpassage ist Asien in nur 15 Tagen erreichbar, europäische Häfen noch schneller. Die eisbrechenden Flüssiggas-Tanker der Christophe-de-Margerie-Klasse (15 Einheiten, 299 Meter Länge) wurden für den Betrieb in arktischen Bedingungen gebaut und können die Nordostpassage bis zur Beringstraße ohne Eisbrecherhilfe befahren.

Mit diesen arktischen Produktionsanlagen, eisbrechenden Tankern und Umladeterminals will Russland seinen LNG-Anteil am Weltmarkt von acht Prozent auf 20 Prozent im Jahr 2035 steigern.

Die arktischen LNG-Projekte im sibirischen Norden Russlands. Grafik: TotalEnergies

Die arktischen LNG-Projekte im sibirischen Norden Russlands. Grafik: TotalEnergies

Eigentümer

Novatek hält einen Anteil von 60 % am Betreiber der arktischen Anlage. Die französische TotalEnergies SE, China National Petroleum Corporation (CNPC), China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) sowie ein japanisches Konsortium (Mitsui & Co. und Jogmec) halten jeweils 10 % der Anteile.

Sanktionsregime

Westliche Konzerne lieferten wichtige Teile für Arctic LNG 2. Doch nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben Sanktionen der EU und der USA Mitte 2022 die Zusammenarbeit überwiegend beendet. Jetzt haben die USA weitere Sanktionen gegen das arktische LNG-Projekt verhängt. Europäische und asiatische Kunden sollen daran gehindert werden, russisches Gas aus Sibirien zu beziehen.

Auftragnehmer

Der US-Ausrüster Baker Hughes lieferte in Folge der neuen Sanktionen nur vier von 20 geplanten Gasturbinen für die LNG-Anlage. Doch der russische Nowatek-Konzern fand Ersatz in China: Die Harbin Guanghan Gas Turbine Company springt mit einer Lieferung ein. Offen ist, ob deren Gasturbinen für die harschen Bedingungen in der Arktis dauerhaft geeignet sind.

Novatek unterzeichnete im Dezember 2018 eine Vereinbarung mit der italienischen Firma Nuovo Pignone über die Lieferung von Gasverdichterturbinen und Gasturbinengeneratoren. Und auch die italienische Firma Saipem, die die deutsche Gaspipeline durch die pommersche Bucht in der Ostsee baut, erhielt einen Auftrag zum Bau der drei schwimmenden schwerkraftbasierten Strukturen.

Die deutsche Firma Siemens Energy wurde im Februar 2019 von Novatek mit der Lieferung von Kompressoranlagen für die Verflüssigungsanlagen beauftragt.

Sanktionsumgehung

Und wie konnten europäische Unternehmen das russische Projekt Arctic LNG 2 trotz der verhängten Sanktionen weiter unterstützen? Das französische Wirtschaftsministerium, das für die Durchsetzung der Sanktionen in Frankreich zuständig ist, erklärte, dass deren Anwendung "von einer Einzelfallanalyse abhängt". Die Sanktionen würden nur unzureichend überwacht und durchgesetzt und es gäbe in vielen europäischen Ländern Unterschiede in der Umsetzung.

Das will nun endlich auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angehen und plant eine Reihe von Maßnahmen, um das Umgehen der Wirtschaftssanktionen gegen Russland möglichst abzustellen. Denn dabei geht es auch um große Mengen militärisch nutzbarer Bauteile aus dem Westen. Diese gelangen zumeist über Zwischenhändler in andere Länder, die die Waren Richtung Moskau weiterschicken. Zudem verschleiert Russland die Herkunft eigener Firmen, um weiterhin direkte Geschäfte mit dem Westen abschließen zu können.

Quelle: gCaptain, NS Energy, Forbes, Handelsblatt

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