Patrouillenboot der finnischen Küstenwache. Foto: Raja fin

Patrouillenboot der finnischen Küstenwache. Foto: Raja fin

Update: es geht nicht nur um ein weiteres zerstörtes Kabel

Der Schaden ist kritisch!

Nicht nur ein angeblich verlorener Anker, sondern auch Spionage Absicht wahrscheinlich

Am 25. Dezember 2024 gegen 13.00 Uhr Ortszeit wurde Estlink 2, eine Stromverbindung zwischen Finnland und Estland zerstört. Estlink hat eine Kapazität von 650 MW und war gebaut worden, um die baltischen Staaten von russischen Stromnetz unabhängig zu machen. Aus sowjetischen Zeiten stammend sind die Balten noch immer in einem Stromverbund, der Russland, Weißrussland und die drei baltischen Staaten verbindet.

Älteres Foto der "Eagle S", Tanker der russischen "Schattenflotte", Foto: maritime traffic

Älteres Foto der "Eagle S", Tanker der russischen "Schattenflotte", Foto: maritime traffic

Um die drei baltischen Staaten in Zeiten hohen Verbrauches zu versorgen, waren in den letzten Jahren drei Anschlüsse an das europäische Stromnetz gebaut worden. Eine 1000MW Leitung verbindet Polen mit Litauen, eine weitere 700MW Leitung verbindet Schweden mit Litauen und eine dritte Leitung versorgt Estland mit Strom aus Finnland. Diese Leitung wurde am 25. Dezember 2024 unterbrochen. Die finnische Küstenwache war schnell zur Stelle. Auf einer Pressekonferenz am 26. Dezember wurde der aktuelle Stand bekannt gegeben. Demnach wurde der Tanker "Eagle S" mit ausgebrachter Ankerkette und langsamer Fahrt im Seegebiet in dem der Schaden vermutet wird, gesichtet. Als die Ankerkette auf Befehl geheißt wurde, stellte man fest, dass der Anker fehlte. Das Schiff wurde daraufhin geboardet und zu einer finnischen Reede geleitet. Wie heute, den 27.12 bekannt wurde, haben finnische Spezialkräfte der Grenztruppen das Boarding der "Eagle S" durchgeführt. Demnach soll es sich um einen überraschend durchgeführten Zugriff gehandelt haben, welcher der Crew des Schiffes keine Zeit zur Vernichtung von Beweismitteln ließ (@mikkolsotalo auf "X").

Soldat der Special Forces der finnischen Küstenwache Foto: Raja @24

Soldat der Special Forces der finnischen Küstenwache Foto: Raja @24

Das kann man gar nicht "nicht merken"!

Die "Eagle S" kam aus Russland mit einer Ladung Benzin für Ägypten. Sie ist 228 Meter lang, verdrängt 75.000 Tonnen und wird zu der russischen sogenannten Schattenflotte gezählt. Das sind Tanker mit unklaren Besitzverhältnissen, die genutzt werden, um sanktionswidrig Öl und Ölprodukte aus Russland zu verbringen. Oftmals haben diese Schiffe keine Versicherung, weil hier Sanktionen westlicher Staaten besonders wirksam sind. Es handelt sich um den dritten Vorfall, bei dem ein Schiff in der Ostsee Infrastruktur am Meeresboden mit einem Anker zerstört. Um es klar zu sagen: ein Schiff wirft nicht „aus Versehen“ und „ohne es zu merken“ seinen Anker. Und schon gar nicht fährt es dann weiter. Der Anker der "Eagle S" wird zwischen fünf und zehn Tonnen wiegen. Die Kette wiegt zudem über 100 Tonnen. Ein derartiges Gewicht ist geeignet, ein großes Seeschiff auch bei Sturm an seinem Ankerort zu halten. Dieses Gewicht über mehrere Kilometer über den Meeresboden zu schleifen, erfordert erhebliche Kraft der Maschine, zudem lärmt und scheppert das gehörig. Das ist ungefähr so, als würde ein schwerer Lastwagen einen Auflieger ohne Räder auf der A7 von Flensburg bis Hamburg schleifen und dann sagen, er habe das gar nicht gemerkt.

Spionage - Technik an Bord gefunden

Am 27. Dezember 2024 veröffentlichte Lloyd‘s List einen Artikel, in dem detailliert über die Mitnahme von Aufklärungsmitteln auf der "Eagle 2" berichtet wird. Dem Artikel zufolge hat das Schiff diverse Einrichtungen zum Abhören von Fernmeldeverbindungen an Bord. Zudem sei hierfür Personal eingeschifft worden. Lloyd‘ List zitiert eine anonyme Quelle, die weiterhin aussagt, dass die so gewonnen Daten bei Ankunft in russischen Häfen übergeben wurden. Das Schwesterschiff der "Eagle 2" operiere ähnlich.

Diese Aussagen können derzeit zwar noch nicht verifiziert werden, jedoch ist Lloyd‘ List eine glaubwürdige Quelle (s.u.). Die Durchsuchung des Schiffes wird hier Licht ins Dunkel bringen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hat das vor allem auch Auswirkungen auf die Bewertung des "Ankermanövers". Dann MUSS man zwingend von staatlichem russischen Handeln sprechen. Denn ein Schiff, dass mit Personal und Ausrüstung zur Aufklärung eingesetzt wird, steht offensichtlich unter Kontrolle des russischen Staates. Ausrüstung und zur Spionage notwendige Informationen sind in der Regel geheim, insbesondere Frequenzen und Verfahren. So etwas gibt ein Staat nicht an Bord eines Schiffes, welches es nicht höchstselbst kontrolliert. Es kann sich nur um volle Kontrolle des russischen Staates handeln. Vermutet etwa jemand Aktivitäten der Cook-Inseln, unter dessen Flagge das Schiff fährt? Natürlich nicht, und da der Einsatz des Ankers erwiesenermaßen nicht versehentlich geschah, muss die Anweisung zur Zerstörung der Stromleitung dann auch aus Moskau gekommen sein. Also verbleibt kein anderer Rückschluß, als pure Absicht.

Und mit der Estlink Leitung wurde erstmals eine Einrichtung getroffen, die direkte Auswirkung auf politisches Handeln Verbündeter Nationen hat. Dem Baltikum fehlten am 26. Dezember etwa 200 MW an elektrischer Leistung. Diese mussten aus Russland bezogen werden.

Text: Sebastian Hamann
Redaktion: Holger Schlüter

2 Kommentare

  1. Schön zusammengefasst

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  2. Soweit zum Thema „friedliche Weihnachten“!

    Wem es immer noch nicht bewusst ist, dass wir uns nicht mehr im „Frieden“ mit Russland befinden, der lese diesen Artikel noch einmal.
    Wer es dann immer noch nicht glauben mag – trotzdem „Herzlich Willkommen“ in der neuen Realität der hybriden Kriegsführung.

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