In der Autoklaf-Anlage werden die Schutzplatten vulkanisiert

In der Autoklaf-Anlage werden die Schutzplatten vulkanisiert

Die Plattenbaumeister aus Lichtenau

2. Jul 2021 | Magazin, Technologie | 0 Kommentare

Bei vielen Einsätzen der Deutschen Marine steht eine asymmetrische Bedrohung im Vordergrund. Sicherheit versprechen moderne Schutzsysteme.

Die Deutsche Marine operiert seit Jahren weltweit in Krisenregionen, um zu deren Bewältigung und zur Sicherung der Seeverbindungswege beizutragen. In diesem Umfeld unterliegen die Einheiten der Marine vielfältigen Bedrohungen bei Operationen in Küstengewässern, Meeresengen oder in Häfen. Neben den klassischen Bedrohungen sind es insbesondere asymmetrische und hybride Gefährdungen, denen die Schiffe ausgesetzt sind. Seit Ende der 1990er-Jahre haben sich die asymmetrischen Bedrohungen zunehmend verschärft. Das zeigte vor allem der Anschlag auf den Zerstörer USS Cole am 12. Oktober 2000 im Hafen von Aden. Während die Cole Kraftstoff bunkerte, ging ein mit Sprengstoff beladenes Boot längsseits und explodierte. Dabei verloren 17 Besatzungsmitglieder ihr Leben, der Zerstörer wurde schwer beschädigt.

Bei den Einsätzen der Marine kommt es auf Durchsetzungsfähigkeit und vor allem auf Durchhaltefähigkeit der Einheiten über das gesamte Spektrum maritimer Operationen hinweg an. Die Fähigkeit zum Selbstschutz der Einheiten ist dafür zwingende Voraussetzung. Zu den Schutzsystemen von Schiffen zählen insbesondere Panzerungen in Form von Schutztechnologie.

Selbstmordattentäter, Piraten, Terroristen oder andere nichtstaatliche Akteure greifen Schiffe mit klein- und mittelkalibrigen Handwaffen, schultergestützten Granatwaffen sowie neuerdings auch mit Sprengladungen tragenden Kleinstdrohnen Schiffe an. Hiergegen bieten Panzerungen sensibler Schiffsbereiche mit Spezialplatten aus leichter Composit-Struktur einen recht guten Schutz. Diese zusätzliche Schicht ist erforderlich, da der heute verbaute Schiffbaustahl nur eine Stärke von sieben bis neun Millimetern aufweist. Diese vergleichsweise dünne Haut bietet kaum Schutz gegen Beschuss. Composit-Platten hingegen sind in der Regel 15-mal wirksamer als Schiffbaustahl. Daher wurden mittlerweile zahlreiche Einheiten der Deutschen Marine mit Schutzplatten nach- oder ausgerüstet. Auch die zukünftigen vier Fregatten der Klasse 126 sollen mit entsprechender Schutztechnik ausgerüstet werden.

Auf der F 126 werden sensible Schiffsbereiche gegen asymmetrische Bedrohungen geschützt

Auf der F 126 werden sensible Schiffsbereiche gegen asymmetrische Bedrohungen geschützt

Kompetenz und Expertise

In über 30 Jahren konnte die Geke Schutztechnik GmbH ein umfassendes Know-how bei der Entwicklung und Fertigung von Schutztechnologien aufbauen. Das Tochterunternehmen der FFG Flensburger Fahrzeugbau GmbH hat auch diverse Gefechtsfahrzeuge der Bundeswehr, wie den Panzer Leopard, die Schützenpanzer Marder und Puma, den Radpanzer Boxer, den Spähwagen Fenek, das Transportfahrzeug Dingo, oder die Panzerhaubitze 2000 mit Schutzplatten ausgerüstet. Versehen wurden die Fahrzeuge mit einem speziell entwickelten ballistischen Rundumschutz. Das Dach wurde gegen Artilleriebeschuss und gegen Bombensplitter gesichert, die Seiten gegen Hohlladungsgeschosse und Geschützfeuer bis zu 120 Millimeter, der Boden gegen Minen und Sprengkörper und der Innenraum mit sogenannten Liner Plates gegen Geschossfragmente und Splitter.

Ballistische Schutzplatten basieren auf Composite-Strukturen, die die Vorteile verschiedener Materialien vereinigen. Es sind Werkstoffe, die einer hochdynamischen Beanspruchung genügen müssen. Die einzelnen Werkstoffschichten können aus Stahlplatten, Keramiken, High Performance Polyethylene (HPPE) oder aus Kunstfasern wie Aramiden oder Nylon bestehen., Sie werden hybriden, also zu aktiven und passiven Schutzsystemen verklebt oder vulkanisiert, um eine zuverlässige Verfestigung zwischen den verschiedenen Materialien zu erzielen.

Im Rahmen der ständigen Weiterentwicklung der Schutztechnologien hat die Firma Geke Schutztechnik ein Patent für hybride und reaktive Panzerungen erworben, die anfliegende Projektile vor dem Auftreffen neutralisieren. Das Prinzip der reaktiven Panzerung beruht darauf, dass zwischen zwei Platten ein Explosivstoff verklebt wird. Trifft ein Hohlladungsstrahl auf den Sprengstoff, reagiert dieser und schleudert die obere Platte dem Strahl entgegen. Dabei zerlegt sich der Strahl, verliert seine Durchschlagskraft und die zerstörerische Wirkung.

In Zusammenarbeit mit der Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91), die den größten instrumentalisierten Schießplatz in Westeuropa besitzt, wurden 247 Tests, Simulationsversuche und Analysen mit Hohlladungen durchgeführt und zahlreiche Studien erarbeitet, um den Schutz vor verschiedenen Geschossen zu verifizieren. Schließlich ist es durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Produkte gelungen, neue Platten mit einem höheren Schutz bei gleichzeitiger Gewichtsersparnis zu entwickeln.

Eindringleistung einer Hohlladung nach Störung des Holladungsstrahls durch einen passiven Beulblechaufbau

Eindringleistung einer Hohlladung nach Störung des Holladungsstrahls durch einen passiven Beulblechaufbau

Maritime Schutztechnologie

Die die für die Landfahrzeuge entwickelten Schutztechnologien können auch auf Einheiten der Marine zur Anwendung kommen. Geke Schutztechnik hat sich systematisch mit der Übertragung auf den Marinebereich beschäftigt und dazu zahlreiche erfolgreiche Experimente mit Schiffen durchgeführt. Aus Stabilitäts- und Gewichtsgründen kommt für viele Schiffsbereiche eine reine Stahlpanzerung nicht in Frage. Daher setzt man heute vermehrt auf neue Werkstoffe und Schutzsysteme, um diese Bereiche ballistisch zu schützen. Dass die neueste Generation der Schutzplatten eine Gewichtsreduktion von 40 Prozent vorweisen können, kommt vor allem dem Marinebereich zugute. Insgesamt aber muss die ballistische Schutztechnologie der Landfahrzeuge den Besonderheiten der Marine angepasst werden. Hierzu zählt eine hohe Beständigkeit gegen die Einflüsse von Feuchtigkeit und Salz. Flächen auf Marineschiffen sind zudem deutlich größer als auf Landfahrzeugen. Andere Abstände, ein größerer Raumbedarf und ein geringeres Gewicht der Schutzplatten sind daher zu berücksichtigen. Für den Marinebereich hat Geke Schutztechnik bereits zukunftsweisende Neuentwicklungen geschaffen und kann daher marktverfügbare Schutzlösungen anbieten.

Text: Dieter Stockfisch, Fotos: Damen, Geke

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