Foto: Bw/Werner Rahn

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Gegen Verklären und Vergessen Zum Tod des Marinehistorikers Werner Rahn

Eine Historisch-Taktische Tagung der Marine ohne den nachdenklich-fragenden Beitrag eines Dr. Rahn aus den ersten Reihen der Honoratioren war bisher undenkbar – nun ist es durch seinen Tod im November 2022 traurige Wahrheit geworden.

Anders als für viele Vorgänger mit und ohne Uniform war das Ziel seiner Arbeit nicht die bedingungslose Verteidigung des „blauen Tuches“ gegen alle Kritiker, sondern die beschwerliche und im Ergebnis nicht selten unliebsame „Suche nach historischer Wahrheit“; so auch der programmatische Titel einer seiner wichtigsten Schriften. Zwischen akribischer Analyse, kritischer Darstellung und gerechtem Urteil bewegten sich die zahlreichen Studien von Kapitän zur See a.D. Dr. Rahn (Crew X/60). Ausgewogen argumentierend, ohne zugleich Ankläger und Richter zu sein, konnte er der Verantwortung eines Marinehistorikers in der Nachkriegszeit gerecht werden.

Bereits im Studium in Hamburg widmete er sich in der 1976 veröffentlichten Dissertation über „Reichsmarine und Landesverteidigung“ einem schwierigen Thema – der Rolle einer Marine in den Jahren der Niederlage, des Umbruchs und der Versuchungen zwischen den Kriegen. Diese Arbeit bildete für ihn das wissenschaftliche Scharnier für viele international respektierte Forschungen zur Kaiserlichen Marine davor und zur Kriegsmarine danach. Seine Schriften reichen von der Darstellung des U-Bootkriegs im Zweiten Weltkrieg bis zu Editionen wie das 68-bändige „Kriegstagebuch der Seekriegsleitung“ 1939/1945. Flottenbauprogramme und Seekriegführung, Marinepolitik und historische Verantwortung ihrer Oberbefehlshaber sowie Marinen aller Meere der Welt nahm er detailliert und differenziert in den Blick. Vorträge im In- und Ausland, die Lehrtätigkeit am US Naval War College in Newport sowie die Verleihung des Hattendorf-Preises für sein Lebenswerk bezeugen die ihm entgegengebrachte Wertschätzung.

An Marineschule und Führungsakademie gehörte er zu den Begründern einer modernen Lehre in der Wehrgeschichte und regte zum kritischen Blick in die Vergangenheit der eigenen Zunft an. Einerseits sah er Flottenbewegungen aus alten Zeiten als Grundlage für kritisches Beurteilen von Strategie, Taktik und operativem Denken. Andererseits ließen für ihn Ursachenkenntnis der Meutereien von 1917/18 und Raeders Diktum „Nie wieder 1918“ erst begreifen und verstehen, dass Innere Führung und das Ideal des „Staatsbürgers in Uniform“, dass „Menschenführung“ an sich, eine der wichtigsten Lehren aus der Vergangenheit waren und sind.

Doch so kritisch sich Werner Rahn mit der Geschichte der Marine auseinandersetzte, so stolz war er, Angehöriger einer neuen, freiheitlichen Idealen verpflichteten Marine zu sein. Wo immer er konnte, trat er für sie ein, überzeugte junge Offiziere im Gespräch und beriet die Marineführung bei historischen Anlässen, auch wenn diese seinem Rat nicht immer folgte. Mit Kapitän zur See a.D. Dr. Rahn verliert die Deutsche Marine einen hervorragenden Wissenschaftler und Mentor, der sie und ihre Offiziere geprägt hat.

Aus einem Nachruf des Militärgeschichtlichen Forschungsamts.

Michael Epkenhans und Jörg Hillmann

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