Die 115 Meter lange Superyacht Luna soll dem Geschäftsmann Farkhad Akhmedow gehören, Foto: Michaela Veers

Die 115 Meter lange Superyacht Luna soll dem Geschäftsmann Farkhad Akhmedow gehören, Foto: Michaela Veers

Jagd auf Yachten

Russische Oligarchen orderten bislang ihre Yachten in Deutschland. Die Sanktionen sind daher auch ein schwerer Schlag für die Werften hierzulande.

Manch ein Charakterzug gehört nicht zu dem, was wir uns im Allgemeinen unter gutem Benehmen vorstellen: Voyeurismus, Schadenfreude, Häme und Neid fallen in diese Kategorie. Aber angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine lassen wir die teils maliziöse Berichterstattung über die Yachten russischer Oligarchen durchgehen. Es faszinieren deren schiere Größe, ihr exorbitanter Preis und der oft zügellose Luxus. Eher abweisend wirkt hingegen die zur Schau gestellte Ferne der Eigner zum Normalbürger, die gelebte Arroganz und Dekadenz. Noch vor Kurzem wurden ihre maritimen Luxusgefährte im Sonnenlicht der Côte d‘Azur bewundert oder am Weserufer fotografiert, interessierten hauptsächlich Papparazzi und maritim Interessierte. Zudem waren sie – natürlich – ein Wirtschaftsfaktor, auch und gerade in Deutschland. Heute sind die Yachten der Oligarchen zur Zielscheibe von Behörden und Regierungen geworden.

Weltweit entwickelten sich die Berichte hierüber in Chatrooms, Blogs und den sozialen Medien binnen kürzester Zeit zum Topthema. Als marineforum.online im März begann, sich mit dem Versteckspiel der Oligarchen zu befassen, sprangen auch hier die Nutzerzahlen in den fünfstelligen Bereich. Für die Onlineredaktion eine Verführung, mehr und ausgiebiger über das Thema zu berichten. Zugleich aber auch die Verpflichtung, seriös zu bleiben und sich nicht voyeuristisch am Schicksal von Menschen zu ergötzen. Schließlich besteht die Besatzung dieser Schiffe aus normalen, hart arbeitenden Menschen.

Zwei Dutzend Yachten wurden mittlerweile weltweit beschlagnahmt, etwa die Hälfte davon mit einem Gesamtwert von geschätzten 2,3 Milliarden Dollar in Europa. Auch im Hamburger Hafen liegen momentan Luxusschiffe russischer Eigentümer fest, was bei der Werft Blohm+Voss horrende Kosten verursacht. Denn der Unterhalt von Yachten ist kostspielig: Die Daumenregel besagt, dass die jährlichen Betriebskosten sich auf etwa 10 Prozent des Schiffswertes belaufen.

Die 115 Meter lange Superyacht Lun a soll dem Geschäftsmann Farkhad Akhmedow gehören, Foto: Michaela Veers

Die 115 Meter lange Superyacht Luna soll dem Geschäftsmann Farkhad Akhmedow gehören, Foto: Michaela Veers

In Online-Kommentaren verleihen Menschen rund um den Globus ihrer Freude über die aktuellen Probleme der russischen High Society Ausdruck. Einen Bericht über die Oligarchen und ihre maritimen Spielzeuge betitelte die „Washington Post“ gar mit der schönen Schlagzeile „Schadenfreude at sea“. Es scheint also etwas Befriedigendes darin zu liegen, dem Leid der gebeutelten Milliardäre zu folgen. Geld und Wertpapiere vermag man zwischen Offshore-Bankkonten und -depots zu verschieben, eine Yacht mit Hubschrauberlandeplatz nicht.
Nur wenige Stunden nach Beginn der Invasion im Februar gaben den Oligarchen zugeordnete Yachten ihre Position nicht mehr über das bordeigene Automated Information System preis, obwohl dies die Regeln der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation vorschreiben. Gehetzt traten die millionenteuren Schiffe teils lange Fluchtwege an, obwohl kaum ein Eigner an Bord gewesen sein dürfte. Ihre Ziele lagen in der Karibik, auf den Malediven oder in türkischen Gewässern. Bemerkenswert ist die Aufzählung allein schon wegen der resultierenden Kraftstoffrechnungen – zugegeben, auch an Spekulationen hierüber haben wir uns beteiligt.

Gleichzeitig mit dem Verschwinden der Schiffe aus den Gewässern westlicher Staaten entstanden in den sozialen Medien zahlreiche neue Accounts. Websites wie VesselFinder, MarineTraffic oder SuperYacht Fan, wo man normalerweise mit der einfachen Eingabe des Schiffsnamens, der Registrierungsnummer der International Maritime Organization oder der Maritime Mobile Service Identity in Sekundenschnelle die aktuelle Position des gesuchten Fahrzeugs ermitteln kann, stehen aktuell hoch im Kurs. Prominent wurde auch der 19-jährige Amerikaner Jack Sweeney, berühmt geworden weil er Elon Musk online verfolgte, der mit jedem zugänglichen Mittel die Yachten der Oligarchen verfolgt.

Schließlich entging es den engagierten Ermittlern nicht, dass die Erbauer vieler schwimmender Paläste in Deutschland beheimatet sind. Und verblüfft nimmt der Nicht-Küstenbewohner zur Kenntnis, dass der Yachtbau an Weser, Elbe und Nord-Ostsee-Kanal mit zum Feinsten und Anspruchsvollsten gehört, das weltweit angeboten wird. Wer was auf sich hält, kauft deutsch – und lässt auch hier eindocken, sogar Wladimir Putin. Da konnte selbst das „Manager Magazin“ nicht mehr an sich halten und schrieb über Lürssens Yachten als das Nonplusultra, begleitet von einer Personality-Reportage. Lürssen, Abeking & Rasmussen und Kröger bilden die Crème de la Crème des internationalen Yachtbaus, auch die sonst für Kreuzfahrtschiffe bekannte Meyer Werft will in den Markt einsteigen. Weltweit schwimmen rund 1000 Yachten unter Motor und Segel, die von Luxus- bis Gigayacht in vielen unscharfen Kategorien zu verorten sind und einen Wert von läppischen 20 bis zu verrückten 800 Millionen Dollar haben. Ob nun 25 oder 180 Meter lang: Eine gute Portion der weltweit dahingleitenden Luxusschiffe kommt aus Deutschland. Doch nach der russischen Invasion und den Sanktionen gegen den Geldadel des Landes stellt sich die Frage, welchen Bedarf es zukünftig noch gibt. Mit der Ukrainekrise wird die Nachfrage um bis zu 25 Prozent sinken, hört man in Reederkreisen. Werden gebrauchte Yachten also bald als Schnäppchen verramscht? Seien wir nicht hämisch, denn auch die deutsche Werftindustrie und ihre Zulieferer profitierten bislang von den nun verpönten Milliarden der russischen Oligarchen.

Holger Schlüter

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