Mit Naval Strike Missiles bewaffnete LCS können LAWs in Kampfgebiete begleiten, Foto: US Navy

Mit Naval Strike Missiles bewaffnete LCS können LAWs in Kampfgebiete begleiten, Foto: US Navy

Leicht(er) an Land

Navy und Marine Corps planen den gemeinsamen Bau amphibischer Einheiten. Doch unterschiedliche Vorstellungen stellen einen Erfolg des Projekts in Frage.

Die US Navy plant die Einführung einer neuen Klasse leichter amphibischer Kriegsschiffe (Light Amphibious Warship, LAW) für den Transport der Marineinfanterie zum Einsatzort. Eine Entscheidung hinsichtlich des Schiffsentwurfs soll in der ersten Jahreshälfte 2023 erfolgen. Mit einer Länge zwischen 60 und 120 Metern und einer Verdrängung von 3000 bis 4000 Tonnen fällt das LAW international gesehen in eine mittlere Größenklasse. Der Tiefgang darf maximal 3,7 Meter betragen, um zu gewährleisten, dass das Schiff den Landungsstrand direkt anfahren kann und Soldaten „trockenen Fußes“ über eine Bug- oder Heckrampe absetzt.

Die Navy strebt eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 15 Knoten und eine Reichweite von mindestens 3500 Seemeilen an. Diese vergleichsweise geringe Geschwindigkeit wurde gewählt, um den Treibstoffverbrauch gering zu halten und dadurch die Verweildauer auf See von elf Tagen zu erreichen.

Logistikschiffe der BESON-Klasse besitzen die richtige Größe, sind aber für das USMC zu langsam, Foto: US DoD

Logistikschiffe der BESON-Klasse besitzen die richtige Größe, sind aber für das USMC zu langsam, Foto: US DoD

Das Schiff soll mit einer Besatzung von höchstens 40 Personen unter Führung eines Lieutenant Commander (Korvettenkapitän) auskommen. Ein LAW soll mindestens 75 Marineinfanteristen befördern können. Hinzu kommt eine breite Ausrüstungspalette der Marineinfanteristen; dazu gehören fahrzeugmontierte Seezielflugkörper, bewaffnete und unbewaffnete UAVs, Raketenartillerie sowie Treibstoff und Munition zur Versorgung von Flugzeugen. Die Nutzlastkapazität soll zirka 650 Tonnen betragen. Es wird nur ein einziges Transportdeck mit 760 bis 950 Quadratmeter Stellfläche geben. Das Transportdeck für Fahrzeuge und Ausrüstung soll offen sein. Das Deckhaus wird Sitz- und Schlafplätze für rund 120 Personen haben. Auch geeignete Diensträume für die Einsatzplanung und -vorbereitung sollen vorhanden sein.

Die Bewaffnung besteht aus einem Geschütz vom Kaliber 25 oder 30 Millimeter sowie mehreren schweren Maschinengewehren. Die Navy will, dass die Schiffe auch nach einem Feindtreffer lange genug einsatzfähig bleiben, um Soldaten und Nutzlast auf ein anderes Schiff zu transferieren. Hierzu wird die Widerstandsfähigkeit Tier 2+ angestrebt; dies übersteigt den Schutz der Littoral Combat Ships (LCS). Die Steigerung auf Tier 3 – wodurch ein LAW auch nach einem einzelnen Feindtreffer noch Einsatzfähig wäre – würde die Stückkosten auf eine halbe Milliarde Dollar steigern, und wird folglich abgelehnt. Die neue Schiffsklasse wird auf 20 Dienstjahre ausgelegt.

Einsatzkonzept
Das LAW gilt der Marineinfanterie als ein wesentliches Element für die Umsetzung der neuen Einsatzdoktrin im indopazifischen Raum. Das herkömmliche Einsatzkonzept der US-Marineinfanterie beruht auf den circa 2200 Köpfe zählenden Marine Expeditionary Units (MEUs). Diese durch Artillerie und Flugzeuge verstärkten amphibischen Bataillone werden in der Regel in See auf drei großen amphibischen Kriegsschiffen einsatzbereit gehalten. Das neue Konzept der Expeditionary Advanced Base Operations (EABO) ergänzt diese herkömmliche Struktur durch Aufstellung von hochmobilen Marine Littoral Regiments (MLRs), die gezielt für Einsätze auf den Inseln und Atollgruppen zwischen Japan und Südostasien ausgerichtet werden. Dieses von Peking als erste Inselkette bezeichnete Gebiet gilt den chinesischen Militärplanern als natürlicher Sperrgürtel gegen anrückende US-Streitkräfte und deren Verbündete.

Jedes MLR-Regiment verfügt über neun verstärkte Infanteriezüge mit jeweils rund 75 Soldaten. Das EABO-Konzept sieht vor, diese mobilen Einheiten auf See oder in wechselnden taktischen Standorten im asiatisch-pazifischen Raum zu halten. Diese verstreut agierende Einheiten sollen im Falle von Spannungen sofort taktisch relevante Stellungen – vor allem im Bereich der ersten Inselkette – einnehmen, etwa um Meerengen zu überwachen oder gegebenenfalls feindliche See-, Luft- oder Landstreitkräfte anzugreifen. Sie sollen kurzfristig – nach wenigen Stunden oder Tagen – die Stellung wechseln, ehe sie durch gegnerische Kräfte bekämpft werden können.

Eine Alternative zu den LAWs wären die Katamaranfähren der SPEARHEAD-Klasse, Foto: US Navy

Eine Alternative zu den LAWs wären die Katamaranfähren der SPEARHEAD-Klasse, Foto: US Navy

Die leichten amphibischen Kriegsschiffe gelten als primäres Transportmittel für die mobilen litoralen Einheiten des US Marine Corps (USMC). Die Einsatzreichweite sowie die Fähigkeit der Schiffe, dank ihres geringen Tiefgangs möglichst viele potenzielle Landungszonen anzusteuern, gewährleisten die Mobilität und Flexibilität der USMC-Verbände. „Diese Schiffe ermöglichen es den drei Marine Littoral Regiments aus dem Stand heraus zu agieren, um schnell Stellung in strategischen Meerengen und [anderen strategisch wichtigen] Orten zu beziehen, ehe Kampfhandlungen ausbrechen“, erklärte der Stellvertretende Kommandeur des USMC, General Eric Smith, Anfang September.

Das Marine Corps postuliert Bedarf für 35 Einheiten. Neun Schiffe bilden demnach ein Geschwader. Je ein Geschwader wird jedem der drei Marine Littoral Regiments zugeteilt. Die übrigen acht Einheiten dienen als Reserve, um Schiffe während ihrer Wartungsphase zu ersetzen.

Geleit erforderlich  
Grundsätzlich sollen LAWs einzeln oder in typgleichen Verbänden eingesetzt werden, können jedoch auch zusammen mit anderen Kriegsschiffen operieren. Das primäre Einsatzkonzept geht davon aus, dass die Schiffe einzeln agieren.

Trotz der Bewaffnung und der militärischen Fähigkeiten soll das Schiff möglichst – zumindest aus der Ferne oder auf dem ersten Blick – aufgrund der Größe und der Silhouette mit einem Handelsschiff verwechselt werden können, erklärte Lieutenant General Karsten Heckl, Befehlshaber des Oberkommandos Combat Development Command. Dies soll es LAWs und den mitgeführten Marineinfanteristen ermöglichen, „unter dem feindlichen Radar“ zu bleiben.

„Die Indopazifischen Wasserstraßen sind die meistbefahrensten Seewege der Welt“, betonte Heckl. „Es wäre für jede Seemacht schwierig, zu jeder Zeit jeden Punkt dieser Region zu überwachen. Aber man macht es dem Gegner so viel einfacher, wenn man sich von seinem Umfeld abhebt.”

Für den Fall, dass LAWs dennoch durch den Gegner erfasst werden, reicht der bordeigene Schutz kaum aus. Bereits 2020 wurde festgestellt, dass ein mit Seeziel- und Flugabwehrwaffen ausgestattetes Kriegsschiff das Einsatzgebiet der LAWs überwachen soll, um Bedrohungen zu neutralisieren. Im Gespräch sind unter anderem die mit Seezielflugkörpern bewaffneten Littoral Combat Ships.

Interne Dissonanz
Obwohl das USMC Nutzer der LAWs sein wird, liegen Beschaffung und Betrieb der leichten amphibischen Kriegsschiffe bei der US Navy. Zwischen den beiden Teilstreitkräften entwickelte sich folglich eine Dissonanz hinsichtlich der Beschaffung der neuen Schiffsklasse. Das USMC drängt auf eine möglichst zügige Einführung, während die Navy den ursprünglichen Zeitplan aus Etatgründen um zwei Jahre nach hinten verschieben möchte. Ein weiterer Streitpunkt: Die Navy will die Schiffe möglichst widerstandsfähig gestalten, damit sie auch im Falle eines Feindtreffers einsatzfähig bleiben und dem Bordpersonal maximalen Schutz gewähren. Das USMC legt den Fokus auf Geschwindigkeit, Flexibilität und Präsenz. Ferner gibt es seitens der Navy Erwägungen, die LAWs mit zusätzlicher Ausrüstung zu versehen, um weitere Aufgaben – über dem Truppentransport hinaus – wahrzunehmen. Besonderes Interesse soll an der Ausstattung mit Hochleistungssensoren bestehen, um zu einer umfassenden Lagebilderstellung beizutragen. Falls diesen Wünschen stattgegeben würden, dürften die von der Navy befürworteten Designänderungen zu einer erheblichen Kostensteigerung führen. Die im Juli vorgestellte jüngste Planung sieht folglich die Beschaffung von lediglich 18 Einheiten vor. Das USMC sieht jedoch einen Bedarf für 35 Einheiten und bekundet daher die Bereitschaft, mit leichterem Eigenschutz einhergehende Risiken zu akzeptieren.

LAW-Studie von Sea Transport Solutions, Grafik: US DoD

LAW-Studie von Sea Transport Solutions, Grafik: US DoD

Am 6. Oktober erklärte General Heckl, dass sich beide Teilstreitkräfte hinsichtlich Kosten und Fähigkeiten der LAWs nähergekommen sind. Die drohende Verzögerung des Beschaffungsprogramms erscheint nach den Aussagen von Heckl weitgehend gebannt. Auch die Kostenfrage scheint man langsam in den Griff zu bekommen. Der Etatentwurf der Marine für 2023 sieht ab der dritten Einheit langfristige Beschaffungskosten von 145 Millionen Dollar pro Schiff vor.

Zeitplan
Im Juni 2021 wurden Aufträge zur Konzeptentwicklung an fünf konkurrierende Firmen vergeben: Austal USA, Bollinger, Fincantieri, VT Halter Marine, und TAI. Sie sollen anhand bereits in der Produktion befindlicher Schiffe oder anhand produktionsreifer Designs erste Entwürfe für ein solches amphibisches Kriegsschiff vorlegen. Die von den zivilen Schiffen abgeleiteten Entwürfe sollen bestimmte Leistungsvorgaben der Navy berücksichtigen. Die laufende Phase dient nicht zuletzt dazu, dass die Firmen der Navy erläutern, inwiefern bestimmte Vorgaben des Militärs umsetzbar sind und welche operativen Auswirkungen (und Kostensteigerungen) entstehen würden. Diese fünf Vorlagen werden ab Januar 2023 geprüft.

Im ersten Halbjahr 2023 soll die Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags zur Erstellung eines detaillierten Designs (Detailed Design & Construction, DD&C) an eine der fünf konkurrierenden Firmen fallen. Im Rahmen der DD&C-Phase wird der Detailentwurf erstellt sowie der entsprechende Prototyp gebaut und ausgeliefert. Bei entsprechender Bewertung des Entwurfs und des Prototypen soll 2024 ein Auftrag über die Vorserienproduktion vergeben werden.

Gemäß gegenwärtiger Planung soll die Auftragsvergabe im Dezember 2024 stattfinden und der Baubeginn im Verlauf des Fiskaljahres 2025 folgen. Die Auslieferung des Typschiffs wird 2028 angestrebt, die Indienststellung der ersten Einheit ist für 2029 vorgesehen.

Austal-Konzeptstudie, Grafik: Austal USA

Austal-Konzeptstudie, Grafik: Austal USA

Bis es so weit ist, werden die MLR-Einheiten auf geleasten, mit Heckrampen versehenen zivilen Transportschiffen üben, um Einsatzkonzepte zu erproben; Lehren aus diesen Übungen sollen auch in die Prototypentwicklung einfließen. Für den Einsatztransport vor der Indienststellung der LAWs sind verschiedene kleinere Kriegsschiffskategorien im Gespräch, einschließlich der militärischen Katamaranfähren (Expeditionary Fast Transport Vessel, T-EPF) und der Littoral Combat Ships. Falls das LAW-Programm doch gestrichen werden sollte – etwa weil das Pentagon beschließt, dass die Beschaffungsgelder an anderer Stelle gebraucht werden – könnten andere Einheiten wie die LCS am Ende dauerhaft zur Unterstützung der MLRs herangezogen werden.

Sidney E. Dean

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

de_DEGerman