(Teil-)Autonome Systeme wie die Hubschrauberdrohne Sea Falcon sollen zukünftig eine größere Rolle spielen, Foto: Bw/Kristina Kolodin

(Teil-)Autonome Systeme wie die Hubschrauberdrohne Sea Falcon sollen zukünftig eine größere Rolle spielen, Foto: Bw/Kristina Kolodin

Quo vadis, Marine?

Wie soll sich die Deutsche Marine unter dem Eindruck von Zeitenwende, demografischer Entwicklung und bürokratischer Einschränkung langfristig weiterentwickeln? Acht Experten schildern ihre Sicht zum aktuellen Konzeptpapier Zielbild Marine 2035+.

Mit dem am 28. März 2023 veröffentlichten Zielbild Marine 2035+ liegt ein konzises Papier vor, das sich in verständlicher und prägnanter Form mit Marineaufgaben und Flottenstruktur auseinandersetzt, ohne im wolkigen Duktus manch anderer Strategiedokumente zu verweilen. Die angedeutete Ziel-Mittel-Weg-Relation ist bemerkenswert erhellend. Die deutliche Unterstreichung, dass die Marine ein kapitalintensives Vorhaben sei, bei gleichzeitiger Forcierung der unbemannten Systeme – im Pokerjargon: all in – stechen positiv heraus.

Die künftige Flottenstruktur weckt dank schicker grafischer Umsetzung zwar schon jetzt wieder manchen Traum, vergisst jedoch die weniger attraktiven Themen, die in der Marine gerade viel virulenter sind: Munition, Ausstattung, Infrastruktur, Nachwuchsgewinnung. Es stimmt: Marine muss langfristig denken und pragmatisch und kurzfristig handeln. Nach dem ehemaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower: „Failing to plan is planning to fail.“ Durch dieses Spannungsfeld gilt es zu navigieren. Wichtig ist die Herausstellung von zentralen Notwendigkeiten oder, für die Bescheidwisser, von Allgemeingut. Dazu zählen die Bedeutung maritimer Präsenz, die nicht nur in Flaggenstöcken gerechnet wird, und die Fähigkeit zum hochintensiven Gefecht. Auch die Marinemathematik – für ein Schiff im Einsatz braucht es derer drei – und demografische Zwänge stechen heraus.

Ein solch offizielles Statement aus der Feder der Marine hat es schon länger nicht mehr gegeben. Mit dem bereits veröffentlichten Kompass Marine und dem in Erarbeitung befindlichen Dachdokument Marine entsteht nun eine Familie von Eckpunktepapieren, die in jedem Fall einen Anlass zur Debatte bieten. In der Folge äußern sich deutsche Experten in Form von Denkanstößen zu einzelnen Aspekten des Zielbilds. Gegenrede ist erwünscht!

Dr. Sebastian Bruns ist Senior Researcher am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK) und war zuvor McCain-Fulbright-Gastprofessor an der US Naval Academy in Annapolis, Maryland.

Szenario einer kriegerischen Auseinandersetzung an der Nordflanke

Die Deutsche Marine hat in den vergangenen Jahren mehrfach betont, nicht auf eine Ostsee-Marine reduziert werden zu wollen. Heute wird im Zielbild 2035+ die Notwendigkeit einer hohen Gefechtsbereitschaft und Präsenz an der NATO-Nordflanke – also Nordatlantik, Nord- und Ostsee – hervorgehoben. Beides ist so nachvollziehbar wie richtig. Die Deutsche Marine muss sich gemeinsam mit ihren internationalen Partnern auf die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts an der Nordflanke einstellen. Notwendig ist dies bereits seit 2014. Umso wichtiger, dass das Zielbild nun in vier von sieben genannten Leistungsanforderungen von Schlagkraft, Seekrieg und Verteidigung spricht und auch das Risiko von Ausfällen ganzer Einheiten miteinbezieht. Die Unterscheidung der maritimen Anforderungen in einzelnen Seegebieten zeigt darüber hinaus, wie bedeutend und divers die Anforderungen der einzelnen Operationsgebiete, wie etwa der Ostsee, sind. Was das Zielbild korrekterweise impliziert: Auch bei einer möglichen Norderweiterung der NATO bleibt die Notwendigkeit einer Befähigung zum hochintensiven Gefecht an der gesamten Nordflanke und somit auch im Ostseeraum bestehen. Denn: Solange ein potenzieller Gegner an einem geschlossenen Seegebiet wie der Ostsee ansässig und aktiv ist, kann nicht von einer Kontrolle dieses Operationsraums gesprochen werden.

Aus gutem Grund wird dahingehend die Befähigung zum maritime strike im Verbund mit der Fähigkeit zum Über- und Unterwasserseekrieg hervorgehoben, mit der sich deutsche und alliierte Seestreitkräfte regionalen Anti-access/Area-Denial-Herausforderungen stellen müssen. Der multidimensionale Aspekt zeigt sich besonders in der Ostsee daher wechselseitig: in Form der zu bewältigenden Risiken, aber auch in Form der eigenen Antwort, die im Rahmen von Multi Domain Operations geliefert werden muss. Das Zielbild Marine 2035+ beweist damit, dass sich die Deutsche Marine ihrer Aufgaben und Anforderungen für den Auftrag der Abschreckung sowie der Landes- und Bündnisverteidigung im gesamten Nordflankenraum und der Ostsee im Besonderen bewusst ist.

Julian Pawlak ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg und dem German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS).

 Die Arktische Relevanz der Nordflanke

Sicherheitspolitisch gewinnt der arktisch-nordatlantische Raum für die transatlantische Allianz und Deutschland zunehmend an Bedeutung: Die Deutsche Marine will sich besonders auf die Nordflanke der NATO konzentrieren. Im NATO-Kontext werden zu den Ländern der Nordflanke in einer minimalistischen Auslegung Belgien, Dänemark, die Niederlande, Island, Norwegen und das Vereinigte Königreich gerechnet. In einer erweiterten Interpretation zählen dazu die NATO-Ostseeanrainer, also die baltischen Staaten und Polen sowie Finnland und Schweden, die als (zukünftige) neue NATO-Mitglieder auch als alliierte Arktisnationen gelten.

Dabei handelt es sich um die Verbündeten, deren Hoheitsgewässer und Ausschließliche Wirtschaftszonen in der Polarregion und zugleich im Verantwortungsbereich des Alliierten Oberbefehlshabers (Supreme Allied Commander Europe, Saceur) liegen. Das sind zum einen – in der nördlichsten Ausprägung im Atlantik – Kanada sowie Dänemark mit dem autonomen Territorium Grönland. Daran angrenzend liegt die demilitarisierte Inselgruppe Spitzbergen, die zu Norwegen gehört. Im weitesten Sinne zählen Island, welches an den nördlichen Polarkreis grenzt, und die USA, die mit Alaska einen direkten Übergang zum Arktischen Ozean besitzen, zu den arktischen Staaten der Allianz.

Projiziert man dies auf eine Karte, so wird deutlich, dass die Grönlandsee, die Labradorsee, die Baffin-Bucht, das Europäische Nordmeer sowie das Nordpolarmeer als arktische Region zum Interessengebiet der NATO gerechnet werden können. Das Interessengebiet der Allianz beziehungsweise der Operationsbereich des Saceur ist als jener Raum definiert, der die Territorialgebiete der europäischen Alliierten sowie die eingeschlossenen Seegebiete umfasst und sich dann im Nordatlantik vom Nordpol bis zum Nördlichen Wendekreis sowie in der Westausdehnung bis zur Ostküste Nordamerikas erstreckt.

Es handelt sich um das Gebiet, für das die NATO-Regierungen dem Saceur bereits in Friedenszeiten das Mandat erteilt haben, Verantwortung wahrzunehmen. Schon in der geografischen Bestimmung wird also klar: Die „NATO ist eine arktische Allianz“, wie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im August 2022 sagte. Jedoch bleibt aktuell die Aufmerksamkeit der NATO primär auf die küstennahen Räume gerichtet und weniger auf die Zentralarktis.

Dr. Michael Paul ist Senior Fellow und Fregattenkapitän Göran Swistek ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Weiterführung des Paradigmenwechsels

Unter den Schlagworten Küstenverteidigung und Küstenkampf fordert das Zielbild Marine 2035+ erstmals wieder seit Ende des Kalten Kriegs, und auch gleichberechtigt neben anderen maritimen Operationsarten, amphibische Fähigkeiten für die Bundeswehr. Neu ist das nicht: In der Vorgänger-Zielvorstellung (2025+) wurde noch der Begriff expeditionary navy genutzt. Diese sollte auch eigene Kräfte an Land von See aus unterstützen – was aber eher einem strategischen Seetransport entsprach.

Auch die Konzeption der Bundeswehr aus dem Jahr 2018 legte fest, dass wieder „begrenzte amphibische Operationen“ die Fähigkeiten der Seestreitkräfte bestimmen würden. Beschränkte sich der Aufgabenbereich der infanteristischen Kräfte der Marine bis 2014 noch fast ausschließlich auf Objektschutz und Boarding-Missionen, so hebt die Marine nun sehr deutlich einen Bedarf an Fähigkeiten zur Durchführung amphibischer Operationen hervor. Deren Auftrag sei es, „relevante Küstenbereiche see- und landseitig zu kontrollieren“ und „wechselnde Schwerpunkte in der Küstenregion“ zu bilden.

Das ist durchaus die Weiterführung jenes Paradigmenwechsels, auch im Denken der Marineführung, der mit der Aufstellung des Seebataillons 2014 seinen Anfang nahm und mit der Integration in das niederländische Korps Mariniers konsequent fortgeführt wurde. Denn die Marineinfanteristen aus Eckernförde sollen, eng angelehnt an die niederländischen Partner sowie die Royal Marines, für die Bundeswehr „Fachwissen für den wohl komplexesten aller militärischen Aufträge“ sammeln, für Landungsoperationen. So schreibt es die Bundeswehr auf ihrer eigenen Website.

Ein Blick in den Fuhrpark des neuen Zielbilds zeigt aber, dass diese Absichtsbekundung kaum mit amphibischen Plattformen hinterlegt ist. Hinter den aufgeführten „bis zu 18 Future Combat Surface Systems“ könnten aber in einem ersten Schritt wohl klassische Kampfboote stehen, wie etwa das schwedische CB 90, die neben der Verbringung von infanteristischen Kräften in Bataillonsstärke in einem Folgeschritt künftig auch unbemannte Aufklärungsmissionen durchführen oder kritische Infrastruktur sichern könnten.

Mit Kampfbooten kann die Marine ferner künftig kleine, mobile raiding parties, also Überfallkommandos in Kompanie- oder Bataillonsstärke, inklusive der Unterstützungselemente wie Scharfschützen, Drohnenoperateure oder Notfallsanitäter zum Einsatz bringen. Die Stärke solcher Kräfte liegt darin, unabhängig voneinander und das Moment der Überraschung ausnutzend, gegnerische Kräfte direkt oder über das Hinterland anzugreifen. Ziel ist dabei, nadelstichartig feindliches Handeln zu stören oder strategische Punkte wie Häfen, Flugbasen oder Flugkörperstellungen zu gewinnen. Auch die Abwehr gegnerischer irregulärer Kräfte wäre so möglich. Versehen mit Steilfeuerwaffen wie Mörsern, leichten Flugkörpern wie Hellfire oder Spike-ER, Aufklärungssensoren sowie Minen, könnten Kampfboote im Küstenvorfeld zudem amphibische Landungen gegnerischer Kräfte verhindern oder zumindest erschweren.

Amphibische Operationen sind aber immer streitkräftegemeinsame Operationen, und hier liegt das Problem des Zielbilds 2035+: Die Marine kann der Bundeswehr zwar amphibische Teilfähigkeiten zur Verfügung stellen, es bedarf aber eines Joint-Kommandos für die Führung derartiger Operationen. Nun muss es daher zunächst Aufgabe der anderen Organisationsbereiche sein, ihre Zieldokumente abgestimmt mit der Marine zu erstellen.

Fregattenkapitän a.D. Arne Björn Krüger hat 2014 das Seebataillon aufgestellt.

Chancen für eine international agierende nationale Küstenwache?

Bei der Klartextrede des Bundeskanzlers auf der Bundeswehrtagung 2022 fielen bezüglich des Kernauftrags Landes- und Bündnisverteidigung die Worte: „Alle anderen Aufgaben haben sich ihm [dem Auftrag] unterzuordnen.“ Sofern hiermit ein Rückzug aus EU- und UN-Missionen impliziert wurde, ergibt sich die Frage, wie künftige humanitäre Kontroll- und Überwachungsmissionen durchgeführt werden sollen.

Die Bundespolizei, zurzeit mit kleinen Einheiten bei der Operation Poseidon im Mittelmeer zugegen, besitzt erste Erfahrungen in maritimen Auslandsmissionen, die mithilfe eines Personalpools aus Zoll- und Wasserschutzpolizeibeamten durchgeführt werden. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ist mit ihren großen Fischereischutzbooten regelmäßig im Nordatlantik an Kontrolltätigkeiten beteiligt. Eine Grundexpertise für kleine und große Missionen ist demnach vorhanden. Auch fehlt es nicht an Fahrzeugen. Alleine der Koordinierungsverbund Küstenwache besitzt 15 Schiffe ab 49 Meter Länge, die sich grundsätzlich für Seegebiete außerhalb der Ostsee und der Deutschen Bucht eignen.

Es fehlt die Bündelung von Zuständigkeiten. So sind Zoll und Bundespolizei bereits eine personelle Kooperation an Bord ihrer Schiffe eingegangen, Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung und BLE aber blieben außen vor. Schüfen wir eine einheitliche Behörde, die auf See die Aufgaben der Schifffahrtspolizei, Strompolizei und Strafverfolgung von jeder seegehenden Einheit aus wahrnehmen könnte, würden Schiffe effektiver ausgelastet und es böte sich die Chance, bestehende Einheiten in internationale Missionen zu senden.

Unter Einbeziehung der Wasserschutzpolizeien der Länder und der damit verbundenen Vereinheitlichung der Zuständigkeiten im Küstenmeer und der Ausschließlichen Wirtschaftszone würde eine mindestens 5000 Personen starke nationale Küstenwache entstehen. Durch die Konzentration der Marine auf ihre Kernaufgaben entsteht eine außenpolitische Lücke. Ob die zahlreichen Einsätze und ständigen Marineverbände weitere Freedom of Navigation Operations (Fonops) zulassen, ist fraglich. Eine zivilbehördliche Küstenwache könnte daher ein besonders effektives Instrument der Außenpolitik werden. Mit Vollzugsbefugnissen ausgestattet, bestenfalls durch EU und UN mandatiert, wäre diese nichtmilitärische soft power eine clevere non-combatant solution, gerade wenn die Kontrolle ziviler Schifffahrt, beispielsweise bei der Überwachung eines Embargos, im Vordergrund steht.

Die Entsendung einer Küstenwache würde vermutlich parteiübergreifende Zustimmung finden, da weder Kriegsschiffe noch Soldaten beteiligt sind. Die weit gefasste Europäische Sicherheitsstrategie gibt einer international agierenden nationalen Küstenwache den erforderlichen rechtlichen Spielraum. Dass diese bei der Bekämpfung von blue crime ohnehin eine einheitliche Struktur benötigt, ist dabei fast schon Nebensache.

Till Andrzejewski ist Polizeibeamter und Küstenbootführer bei der niedersächsischen Wasserschutzpolizei.

Mut zum (teil-)autonomen System

Grundsätzlich ist im Zielbild 2035+ der Marine die globale Tendenz abgebildet, nach der (teil-)autonome Systeme immer stärker in die Streitkräfte integriert werden. Sie werden damit selbstverständlicher Teil militärischer und auch maritimer Realität. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass (teil-)autonome Systeme nie losgelöst von anderen militärischen Kontexten und Strukturen gedacht werden dürfen. Wenn diese in die Streitkräfte integriert werden, müssen sie innerhalb der bestehenden militärischen Systeme, Infrastrukturen und strategischen Kulturen – beispielsweise Auftragstaktik und Innere Führung – funktionieren.
Autonome Systeme werden zwar auf absehbare Zeit erst einmal nur für die „drei Ds“, dirty, dull, dangerous, eingesetzt werden, allerdings sind hier auch rapide Entwicklungen hin zu (teil-)autonomen kampffähigen Systemen zu beobachten. Dabei ist eine Besonderheit hervorzuheben:  Bis zum kinetischen Waffeneinsatz – wie auch immer dieser aussehen mag – kann das System auch als Datenlieferant dienen. Und diese Daten müssen in irgendeiner Weise gespeichert, aufbereitet, verarbeitet, ausgewertet und zur Verfügung gestellt werden – und zwar so, dass alle relevanten Teile der Streitkräfte auch darauf zugreifen können. Pointiert ausgedrückt: Das schönste hochtechnisierte System nützt wenig, wenn auf dem Server noch Windows 95 läuft.

Daraus ergibt sich der „Krieg vor dem Krieg“. Schnittstellen und Datenmanagement werden die elementarten Stellschrauben zukünftiger militärischer Effektivität. Das hat erhebliche organisationale Auswirkungen, denn die Anforderungen an das Personal ändern sich, Softwareexpertise wird unabdingbar. Zusammengefasst kann also festgehalten werden: Das Mindset muss sich ändern. Die See bleibt gleich, die Rahmenbedingungen ändern sich aber gerade massiv.

Sebastian Schwartz arbeitet an der Schnittstelle von Sci-Fi, technischer Friedens- und Konfliktforschung, der Digitalbranche, Nerdtum und autonomen Systemen.

Besseres Lagebild durch engere Kooperation

Nachdem der Inspekteur der Deutschen Marine im Februar in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dazu aufgerufen hat, maritime Kritische Infrastruktur künftig besser zu schützen und dazu „zivile, staatliche und nichtstaatliche Sensordaten“ zusammenzuführen, wird dieses Thema nun erneut im Zielbild Marine 2035+ aufgegriffen.

Dort heißt es, die Marine benötige „ausgestaltete Kooperationsbeziehungen zum Informationsaustausch mit anderen Stellen.“ Dafür seien ein Netzwerk für den Datenaustausch sowie seegestützte Mittel zur Informationsgewinnung in Schwerpunkten und künstliche Intelligenz zur Unterstützung bei der Datenauswertung notwendig. Auch Hans-Peter Bartels betonte unlängst: „Deshalb braucht das Bündnis neue Sensoren und Wirkmittel, vor allem aber ab sofort die Zusammenführung aller verfügbaren zivilen und militärischen Daten.“

Um dieser Forderung nach digitaler Datenfusion nachkommen zu können und damit ein weitgehend vollständiges Unter- und Überwasserlagebild zu erlangen, benötigt es aus Unternehmenssicht einer übergeordneten staatlichen Koordinierungsstelle, die alle Organisationen schnell zusammenführt. Zahlreiche Partner, auch im Auftrag des Bundes, arbeiten an der Digitalisierung der Meere, indem wir etwa künstliche Intelligenz und Big-Data-Analysen einsetzen, um software as a service für maritime Geoinformationen für Behörden zu entwickeln, beispielsweise für den Kampfmittelräumdienst des Landes Schleswig-Holstein.

Gemeinsam mit den Betreibern der Offshore-Industrie werden ebenfalls datengetriebene und vertrauenswürdige Datenräume für eine effiziente Zusammenarbeit und Digitalisierung in der Offshore-Windbranche entwickelt. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums wird ferner mit Hochdruck an der Realisierung eines Internet of underwater things gearbeitet.

Wie könnte die Marine nun von diesen Initiativen profitieren? Denkbar wäre zum einen ein gemeinsamer use case mit der Industrie, beispielsweise im Rahmen des Förderprojektes Marispace-X des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima. In diesem mit 15 Millionen Euro ausgestatteten Projekt soll ein digitaler maritimer Datenraum bis Ende 2024 geschaffen werden, der auf Datenhoheit, Sicherheit, Interoperabilität und Modularität basiert. Zum anderen wäre auch ein Projekt mit dem Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters (COE CSW) in Kiel denkbar, das bereits erfolgreich mit der zivilen Wirtschaft sowie mit der Forschung kooperiert. Derzeit ist bereits ein Projekt mit dem NATO CRME in La Spezia ausgeplant, das den Einsatz einer hochskalierbaren Datenplattform für die eigene Sensordatenauswertung testet. Deutsche Firmen stehen folglich bereits heute mit maritimer Geodatenexpertise für zukünftige Projekte zur Verfügung und warten, um es im Marinejargon auszudrücken, nur noch auf den „Manöveranpfiff“.

Jann Wendt ist CEO der north.io GmbH, Initiator der Kiel Munition Clearance Week und Koordinator von Marispace-X.

Sebastian Bruns

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