Rund anderthalb Tage hat das Ingenieurbüro Detlef Löll das ehemalige Seemannschaftsschulboot Nordwind in der Neuen Jadewerft in der letzten Februarwoche begutachtet und den Instandsetzungsbedarf ermittelt. Das vorläufige Ergebnis lässt die Museumscrew etwas aufatmen, ist doch der Grundzustand des Bootes passabel und die nötigen Restaurierungsmaßnahmen noch in einem überschaubaren Rahmen. Dennoch gibt es hier einiges zu tun, um das Boot selbst und die Fahrbereitschaft der Nordwind für die nächsten Jahre zu erhalten: so ist z.B. der Kiel zu erneuern, was einen nicht unerheblichen Kostenfaktor darstellt. Anhand der detaillierten Werftliste durch das Ingenieurbüro Löll, welches das Projekt durchgehend begleiten wird, wird nun eine Werft mittels Ausschreibungsverfahren gesucht, die die Restaurierung noch dieses Jahr abschließend durchführen kann. Dieses sportliche Unterfangen wird noch zusätzlich dadurch erschwert, dass es relativ wenige auf Holzschiffe spezialisierte Werften gibt, die zudem über einen ausreichenden Holzvorrat verfügen. Nichtsdestotrotz sieht Detlev Löll dies als machbar an - und er sollte es wissen, hat er doch viele Projekte dieser Art bzw. sogar in deutlich größerem Umfang bereits durchgeführt. Neben der Gorch Fock I seien hier zwei in Hamburg liegende Schiffe wie die Rickmer Rickmers oder jüngst die Peking genannt.
Ermöglicht wird dieses Restaurierungsprojekt durch Mittel aus dem Corona-Konjunkturpaket, für welches sich die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller (SPD) im August des vergangenen Jahres eingesetzt hat. Mit dem Erhalt des offizielles Zuwendungsbescheids zur Förderung des Projektes mit 1,5 Millionen Euro Ende Januar konnte es nun losgehen. Das Projekt reiht sich damit in die Ende 2018 angeschobene Neukonzeption des Museums ein, die bis spätestens 2027 realisiert wird und eine Sanierung der Kajen, die Neugestaltung der Ausstellung und des Museumshafens, einen Neubau für Sonderausstellungen und Veranstaltungen sowie den Bau eines Museumsdepot beinhaltet.
Die Nordwind gehört seit Ende 2008 zur Museumsflotte des Deutschen Marinemuseums und ging mit der Saison 2009 wieder in Fahrt. Das ehemalige Seemannschaftsschulboot führt seitdem zwischen Mai und Oktober Tagesfahrten mit bis zu 35 Gästen und längere Törns mit maximal zehn Personen in acht festen Kojen sowie zwei kombinierten Sitz- und Schlafplätzen entlang der deutschen Nord- und Ostseeküste durch. Rund 70 Seetage kann das Boot im Jahr verbuchen und bietet dabei den Mitfahrenden die Gelegenheit, sich unter Anleitung aktiv in den Bordbetrieb einzubringen. Auch wird die Nordwind an der Museumspier oder während der Törns bei maritimen Großveranstaltungen in den jeweiligen Häfen als exklusive Veranstaltungsplattform genutzt. Der Segler kann bereits eine lange Bootshistorie vorweisen, bevor er zur Museumsflotte stieß und zählt zu den Einheiten mit der längsten Fahrenszeit der Deutschen Marine. Der Rumpf des Traditionsseglers wurde bereits im Zweiten Weltkrieg als Kriegsfischkutter gebaut und danach als Kriegsbeute der Briten zur Bermuda-Ketsch mit zwei Masten umgebaut. Die Nordwind wurde daraufhin dem Bundesgrenzschutz See überlassen, bis sie von 1956 bis 2006 im Dienst der Marineschule Mürwik Generationen von Offizieranwärtern zur seemännischen Ausbildung diente – und auch heute noch gelegentlich von der Marineschule zu diesem Zweck ausgeliehen wird.
Text: Dr. Stephan Huck; Fotos: DMM
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