Der Inspekteur der Marine trat in Berlin mit dem neuen Format Navy Talks vor die Presse
Nachrichten über maritime Geschehnisse finden bedauerlicherweise nicht immer die Empfänger, die es braucht, um aus Erkenntnissen auch Taten erwachsen zu lassen. Das weiß kaum jemand besser als aktuell Vizeadmiral Jan Kaack. Also fasste er den Entschluss, in die Hauptstadt zu gehen, die Presse einzuladen und somit maritime Nachrichten mit dem Label Berlin zu versehen. Das hat dann eine andere Wirkung als von der Küste aus zu berichten – sorry Rostock. Unter dem Motto „Navy Talks“ im Besucherzentrum des Verteidigungsministeriums hat die Pressearbeit der Marine unter der Leitung von Fregattenkapitän Christina Routsi damit ein neues Format ersonnen. Mit rund 20 Personen war das Plenum mit einigen bereits als marinekompetent Bekannten gut besetzt. Der Inspekteur eröffnete das Plenum selbst mit den Fragen, „was passiert da eigentlich so an der Ostsee? (..) und wie lange braucht man eigentlich, um zu bemerken, dass einem der Anker ausgerauscht ist? Wieso braucht ein russisches Forschungsschiff mit Mini-U-Booten 300 anstelle von 10 Tagen von Skagen bis Sankt Petersburg?“. Das beschäftigt den Inspekteur und er ließ die Anwesenden alle an seinen Erkenntnissen teilhaben, wie er die hybriden Gefährdungen bewertet und wer seines Wissens nach dahinter steckt. Dass fast im Monatsrhythmus Kabel zerstört werden und Anker angeblich verloren gehen, beschrieb er aus der Sicht eines Seemannes klar und deutlich. Damit dürfte er auch den letzten Zweifler überzeugt haben, dass so etwas nicht versehentlich passiert. Deutlich machte er auch, dass es nachgewiesene Sabotageversuche an zwei deutschen Kriegsschiffen gegeben habe, die sich in deutschen Werften befinden. Zudem gab es Anbahnungsversuche bei Soldaten sowie mehrfaches Eindringen in Stützpunkte von Land und von See. Seine Schlussfolgerung: Man versucht, unsere Gesellschaft zu verunsichern – man testet uns. Wörtlich: „Man schafft womöglich die Grundlage für spätere aktive militärische Aktivitäten. Es weht ein scharfer Ostwind.“

Inspekteur der Marine Jan Christian Kaack und Leiterin PIZ Christina Routsi während der "Navy Talks" 2025 in Berlin Foto:Schlüter
Er stellte ferner die Konsequenzen in der Marine vor, von Veränderungen im Hauptquartier in Rostock bis hin zu ersten operativen Maßnahmen wie das Erweitern der Tauchtiefen zur Ertüchtigung der Minenabwehrkräfte. Wichtig sind ihm die Arbeiten an einem behördlich koordinierten Lagebild mit einer Kombination von zivilen und militärischen Satelliten, von Windparks, Industrie, Forschungsinstituten, Schiffen und Küstenradarstationen sowie Unterwassersensoren, um ein umfassendes Bild maritimer Aktivitäten unter und über Wasser zu erstellen. „Wir stehen als Marine bereit, gemeinsam mit unseren Partnerbehörden von Bund und Ländern, hybride Angriffe auf die maritime Infrastruktur abzuwehren. Und wenn dies nur mit militärischen Mitteln gelingen kann, sollte dafür auch der rechtliche Rahmen stehen. Getreu dem Motto des Ministers: Was wir nicht gebrauchen können, ist nicht zu wissen, was wir alles tun dürfen, wenn wir es dann tun müssen. Und darüber hinaus bieten wir an, die Verantwortung zu übernehmen für ein gesamtstaatliches maritimes Lagebild aller Behörden.“ Er stellte aber ebenso deutlich heraus, dass man sich nicht nur auf die Ostsee konzentrieren dürfe, sondern auch den Auftrag der Marine beachten müsse, die Sicherung der Nordflanke zu gewährleisten.
Die Bedrohung durch Russland sei heute noch deutlicher als vor zwei Jahren, sagte Kaack, und wiederholte seine Ableitung, dass Russland im Jahr 2029 in der Lage wäre, einen Konflikt mit der NATO zu suchen. Mit welchen Mitteln die an verfügbaren Einheiten klamme Marine das machen wolle, führte er an konkreten Beispielen aus. Hierzu zählen die Erweiterung der Fähigkeiten der Fregatte 125 und einer Vielzahl kleiner Innovationen, darunter die Testkampagne der Unterwasserdrohne Blue Whale. Leider, so bedauerte der Inspekteur, gebe es nach erfolgter Prüfung immer noch die erforderlichen Prozesse zur Einführung solcher Innovationen, er nannte dies wörtlich „Tal des Todes“, und wünschte sich mehr Dynamik und Eigenverantwortung der Marine. Alle Maßnahmen und Vorhaben benötigen jedoch ausreichend Personal, und darunter leide die Marine schon lange in besonderem Maße – und mehr als andere Teile der Bundeswehr. Zwar habe man das Ziel, 10% mehr Menschen in die Marine zu holen, mit 15% übertroffen. Das reiche aber immer noch nicht. Dankbar zeigte er sich über den erfolgreichen Wettstreit um Praktikanten, denn in rund 7000 Praktikumstagen konnten etwa 1000 junge Menschen vom „Zauber der Marine“ erfasst werden. Auf dem Weg Richtung "Kriegstauglichkeit" und glaubwürdiger Abschreckung habe man aber auch einige Dinge selbst in der Hand. So gibt es nun die Vorgabe, dass jeder Soldat und jede Soldatin der Marine die Prüfung der Borddienstverwendungsfähigkeit abzulegen habe. Da jedoch bis zum Jahr 2029 keine großen Kriegsschiffe neu zulaufen werden, sagte Kaack, müsse man mit dem auskommen, was man habe. Mit den Worten „Verfügbarkeit, Verfügbarkeit, Verfügbarkeit“ analog zu seiner vorangegangenen Priorität „Munition, Munition, Munition“ wies er auf das Dilemma der Instandhaltung und Verzögerungen hin. Wohl auch deshalb kündigte er an, demnächst den Kurs 2035+ anzupassen, gab aber in der anschließenden Fragerunde keine Details preis. Auf gezielte Fragen bestätigte Jan Kaack mehrmals seine Erkenntnisse über die hybride Vorgehensweise Russlands. Die Tatsache, dass Sabotageakte stattgefunden haben, schien dabei eine besondere Aufmerksamkeit erzeugt zu haben.
Nach einer Stunde war die Veranstaltung beendet. Ein neuer Weg maritimer Kommunikation? Mit Sicherheit! Wenn man aus der vermeintlichen maritimen Provinz heraus nicht gehört wird, muss man bei Hofe predigen. Und das tat Vizeadmiral Kaack mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, einer Prise Humor und reichlich Seeluft, die er nach Berlin mitgebracht hatte. Hoffen wir nur, dass diese frische Brise in der Hauptstadt und anderswo auch die Stuben gut durchlüftet. Nötig wäre es, denn diese Erkenntnisse benötigen ganz dringend Taten. Zum Beispiel, nicht am 2% Ziel zu zweifeln. Dass er dieses Ziel begrüsse, war die einzige politische Aussage des Inspekteurs – auf die Frage, was er denn zur Bundestagswahl zu sagen bereit wäre.
Glückwunsch zu diesem neuen Veranstaltungsformat, das in Berlin bestens platziert ist und erfolgreich sein wird.
Es ist übrigens eine schöne Parallele zu „Les Mardis de la Mer“ (Die Dienstage des Meeres), die die französische Marine in Paris veranstaltet.
Ich würde mir wünschen, dass die Navy Talks aufgezeichnet und bei YouTube gezeigt werden – das bringt Reichweite über Berlin hinaus. Die Franzosen machen das schon (https://www.youtube.com/watch?v=LOFO7LyFpD4), auch wenn die Qualität (Ausleuchtung, englische Übersetzung als Laufschrift) noch ausbaufähig ist. Schönes Projekt des PIZ Marine!