Die totale Vernetzung liegt noch in weiter Ferne. Foto: US DoD

Die totale Vernetzung liegt noch in weiter Ferne. Foto: US DoD

Voll vernetzt

16. Feb 2022 | Headlines, Magazin, Technologie

Zukünftig soll jeder Soldat, jeder Sensor und jeder Effektor digital miteinander verbunden werden, um Operationen bis ins Detail steuern zu können. Doch wenn das Netz ausfällt, entscheidet die Auftragstaktik über den Erfolg.

Der Begriff Multi-Domain Operations (MDO) ist aktuell in aller Munde, die US-Streitkräfte fassen ihn in ihrer Strategie Joint All-Domain Command and Control (JADC2) zusammen, bei den britischen Streitkraften heißt das entsprechende Konzept Multi-Domain Integration (MDI). Innerhalb der NATO wird derzeit durch das Allied Command Transformation in Zusammenarbeit mit dem Allied Command Operations das Konzept für den Alliance Approach to Multi-Domain Operations erarbeitet.
Das US-amerikanische Konzept integriert – vereinfacht gesprochen – die traditionellen Domänen See, Luft und Land mit den neuen Domänen Cyber und Space, während die Briten in ihrem Konzept darüber hinaus auch die militärischen Handlungsoptionen („Military Instrument of Power“) mit jenen der anderen Instruments of Power (Innen-, Außen-, Wirtschaftspolitik etc.) verknüpfen. Für die NATO würde eine solche Vorgehensweise bedeuten, die über 100 Teilstreitkräfte der 30 Mitgliedsstaaten konzeptionell und technisch zu integrieren, was vermutlich nie zu realisieren wäre. Insofern ist der Ansatz zu Multi-Domain Operations in der NATO ein anderer.

16. Feb 2022

0 Kommentare

  1. Dank an Karsten Schneider fuer seine Klarstellungen und Bekraeftigungen. Manchmal verlieren wir vor lauter IT die eigentliche Fuehrungskultur aus den Augen.

  2. Dank an Andreas Uhl für einen weiteren tollen Fachartikel. Die Einleitung hatte mich zunächst etwas irritiert, als ich las „Doch wenn das Netz ausfällt, entscheidet die Auftragstaktik über den Erfolg.“
    Glücklicherweise wird im Text klargestellt, dass „Führen mit Auftrag“ nicht nur gilt, wenn das Netz ausfällt. Der Glaube – und für manch einen die Hoffnung – mit einer totalen Vernetzung könne man endlich zentral führen und müsse keine Verantwortung mehr delegieren, ist so alt, wie es halbwegs moderne Kommunikationsmittel gibt. Schon bei der Einführung von Link-11 in die Flotte gab es zwei Schulen. Die Zentralisten wollten alle Entscheidungen an sich ziehen, die Dezentralisten weiter mit Auftrag führen, auf Grundlage eines verbesserten Lagebildes und -austauschs.
    Dieser Glaubensstreit setzte sich später fort auf die politische Ebene, wo den Führerinnen und Führern im Einsatz aus der Heimat heraus detaillierte Handlungsanweisungen gegeben wurden. Das in die Irre führende Bild vom strategischen Obergefreiten war plötzlich in vielen Köpfen.
    Richtig verstanden und eingesetzt sollten moderne Führungsmittel nicht die Zentralisierung fördern, sondern können vielmehr das Führen vor Ort erleichtern.
    Führung ist eine geistige Leistung. Werden alle Entscheidungen durch nur einen zentralen Kopf getroffen, dann ist die geistige Kapazität der vielen dezentralen Führer ausgeschaltet. Das Gesamtergebnis eines Einzelnen oder weniger Personen in der Zentrale ist zwangsläufig schlechter als die kombinierte Leistung vieler örtlicher Stäbe, weil in der Zentrale nicht die Summe von deren Einzelleistungen erbracht werden kann.
    Die Zentrale hat kein besseres Lagebild, sondern sieht nur andere, für sie relevantere Aspekte als der Führer vor Ort. Die beste Entscheidungsgrundlage entsteht, wenn die Lagebilder zusammengeführt werden. Vernetzung ermöglicht das, ohne dass deshalb die Entscheidung in die Zentrale verlagert werden muss.
    Vernetzung verbessert zudem die Möglichkeiten kooperativ zu führen. Sie beschleunigt die Kommunikation zwischen Entscheidungsträgern und Experten, sei es im eigenen Stab oder in der Heimat (reach back).
    Alles in allem stellen Vernetzung und moderne Führungsmittel nicht die alten und bewährten Führungsgrundsätze in Frage, sondern bieten im Gegenteil gute Chancen, sie noch wirkungsvoller anzuwenden. Wenn das dann einmal Netz ausfällt, stellen sie sicher, dass die Truppe nicht kopflos und verloren ist.

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