Dieter Janecek ist der neue Maritime Koordinator der Bundesregierung, Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar

Dieter Janecek ist der neue Maritime Koordinator der Bundesregierung, Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar

Wachstum durch Klimaneutralität

Für die Bundesregierung steht auch im maritimen Sektor der Umweltschutz im Mittelpunkt. Der neue Maritime Koordinator setzt darüber hinaus eine Reihe weiterer Handlungsschwerpunkte.

Dieter Janecek wurde am 18. Januar zum neuen Koordinator der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus ernannt. Der Grünen-Politiker will in seiner Tätigkeit neue Schwerpunkte setzen: „Ökonomie und Ökologie gehören zusammen. Deutschland hat sich mit Blick auf die Klimaneutralität ehrgeizige Ziele gesetzt. Ich möchte die maritime Wirtschaft und die Tourismuswirtschaft dabei unterstützen, diese Ziele zu erreichen und zugleich wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei ist der Mittelstand zentral: Ihn gilt es mitzunehmen, Fachkräfte zu sichern, die Digitalisierung voranzutreiben und die Energiekosten im Blick zu behalten. Mit Blick auf die maritime Wirtschaft sind es vor allem innovative Lösungen zur Dekarbonisierung der Seeschifffahrt, die wir vorantreiben müssen.“

Ihre Vorgänger haben mit der Maritimen Agenda 2025 und 2030 viele Ihrer Programmpunkte wie klimaneutrale Schifffahrt, Stärkung des maritimen Standorts Deutschland, Entwicklung innovativer und umweltschonender maritimer Technologien und Antriebe aufgegriffen und in die Wege geleitet. Führen Sie diese Vorhaben fort oder setzen Sie neue Schwerpunkte zur Stärkung der maritimen Wirtschaft?

An das Bestehende möchte ich anknüpfen und, wo angezeigt, ausbauen und verbessern. Beispielsweise wird das maritime Forschungsprogramm ausgebaut und die Förderung von klimaneutralen Technologien in einem neuen Förderschwerpunkt „Klimaneutrales Schiff“ gebündelt.
Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des maritimen Standorts Deutschland weiter stärken. Mit der Richtlinie „Innovativer Schiffbau sichert wettbewerbsfähige Arbeitsplätze“ unterstützen Bund und Länder inländische Werften bei der erstmaligen industriellen Anwendung innovativer schiffbaulicher Produkte und Verfahren. Dafür stehen 2023 37 Millionen Euro zur Verfügung.

In Ihrer Schwerpunktsetzung wollen Sie die maritime Wirtschaft wettbewerbsfähig erhalten, den Mittelstand stärken, Fachkräfte sichern, die Digitalisierung vorantreiben und die Energiekosten im Blick behalten. Welche konkreten Maßnahmen und Rahmenbedingen halten Sie dafür für erforderlich?
 
Als Koordinator für die maritime Wirtschaft möchte ich die Schifffahrt der Zukunft vorantreiben. Die Vorreiterrolle Deutschlands und Europas bei Klimaneutralität in der Schifffahrt bringt dabei enorme Wachstumsimpulse mit sich. Durch Investitionen in die Forschung fördert die Bundesregierung die Technologieführerschaft deutscher Unternehmen. Ein wichtiger Baustein ist der neue Förderschwerpunkt „Klimaneutrales Schiff“ im maritimen Förderprogramm. Darüber hinaus gibt es Programme zum Umbau und zur Erneuerung der Küstenflotte. Gleichzeitig müssen wir auch das Thema der Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe offensiv angehen. Hier engagiert sich die Bundesregierung in verschiedenen Initiativen. Im Januar sind wir beispielsweise der Zero Emission Shipping Initiative beigetreten und wir arbeiten eng mit unseren Nachbarländern beim Aufbau sogenannter Grüner Korridore zusammen. Das Bundesverkehrsministerium erarbeitet aktuell die Nationale Hafenstrategie, in der die Verfügbarkeit von Schiffskraftstoffen adressiert wird. Auch zur Umsetzung der Energiewende wird die maritime Wirtschaft weiterhin einen zentralen Beitrag liefern.

Mit stabilen politischen Rahmenbedingungen kann die Offshore-Windenergie-Branche zusammen mit der maritimen Industrie und der entstehenden Wasserstoffwirtschaft dazu beitragen, zukunftssichere Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu generieren. Gerade in diesem Bereich spielen die Unternehmen der Meerestechnik – viele der kleinen und mittelständischen Unternehmen als hidden champions – mit ihren hochinnovativen Technologien eine große Rolle, sei es bei der Entwicklung und Produktion von Unterwassertechnik oder bei der Entwicklung von Monitoringsystemen.

Autonome Systeme und künstliche Intelligenz sind in der Meerestechnik weit vorangeschritten, in anderen Bereichen können wir sicherlich noch besser werden, dies gilt insbesondere für den Ausbau der notwendigen Infrastruktur. Und die maritime Branche steht, wie die gesamte Volkswirtschaft, vor den Herausforderungen des demografischen Wandels und des Fachkräftebedarfs. Die Schaffung von adäquaten Rahmenbedingungen für die Branche sowie erhöhte Anstrengungen bei Ausbildung und Steigerung der Attraktivität der Berufe an Land und auf See sind ein gemeinsamer Gestaltungsauftrag von Politik und Wirtschaft.

Ihre Vorgängerin hatte beabsichtigt, mit der Munitionsräumung in Ost- und Nordsee zu beginnen. Besteht dieses Vorhaben noch und was wurde bislang erreicht?

Im Meer versenkte Altmunition spielt weltweit an vielen Orten eine große Rolle. Zahlreiche Staaten ringen mit den gleichen Problemen, haben bisher aber noch keine Lösung dafür gefunden. Die Munitionsräumung in der Ost- und Nordsee ist daher ein dringendes Thema für die Bundesregierung. Um Lösungen zu erforschen, haben wir das Sofortprogramm Munitionsbergung aufgelegt. Ziel ist die technische Realisierung einer Pilotanlage zur Bergung und Vernichtung von Altmunition. Die Erkenntnisse, die in diesem Pilotprojekt gewonnen werden, fließen in den Dauerbetrieb der praktischen Räumung ein. Sie sollen auch der Startpunkt sein, um die benötigten Technologien kontinuierlich zu verbessern.

Innovative Entsorgungslösungen und neue Bergungstechnologien, die in Deutschland entwickelt werden, haben somit auch ein großes, internationales Marktpotenzial. Zur langfristigen Finanzierung der Bergungen werden wir uns mit den betroffenen Bundesländern zusammensetzen, um eine angemessene und gerechte Lastenverteilung zu erreichen.

Der Marineschiffbau zählt zu den Kernkomponenten der maritimen Wirtschaft in Deutschland. Sieht die Bundesregierung vor, dafür eine sicherheits- und verteidigungspolitische Marineschiffbau-Strategie zu entwickeln?
 
Die Bundesregierung entwickelt aktuell ihr Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie aus dem Jahr 2020 fort. Der Marineschiffbau ist hier integriert, denn er steht für einen wesentlichen Teil der in Deutschland vorhandenen verteidigungsindustriellen Kapazitäten – mit erheblichem Wertschöpfungspotenzial. Dessen ist sich die Bundesregierung sehr bewusst. Sie wird daher den Marineschiffbau stets im Blick behalten und die sich möglicherweise bietenden industriellen Entwicklungsmöglichkeiten eng begleiten, auch ohne eine explizite Schiffbaustrategie. Im Bundesministerium der Verteidigung wurde darüber hinaus ein Zielbild 2035+ erarbeitet, welches die für die Deutsche Marine geplanten wichtigen Projekte und Maßnahmen für die nächsten zehn bis 15 Jahre zusammenfasst.

Nach der europäischen Ausschreibung der Fregatte 126 wurde der Überwasser-Marineschiffbau als nationale Schlüsseltechnologie eingestuft. Gilt diese Einstufung konsequent durchgesetzt auch für zukünftige Beschaffungsprojekte der Deutschen Marine wie beispielsweise die Fregatte 127 und werden diese dann ausschließlich in Deutschland gebaut?

Die Industrie und die Verbände würden sich natürlich wünschen, dass alle Beschaffungsprojekte ausschließlich national durchgeführt werden. Sie müssen sich allerdings gemäß dem europäischen Wettbewerbs- und Vergaberecht dem Wettbewerb stellen. Eine Einstufung als nationale Schlüsseltechnologie führt deshalb auch nicht automatisch zu einer ausschließlich inländischen Auftragsvergabe, sondern eine solche Vergabe ist auch in Zukunft nur dann möglich, wenn wesentliche Sicherheitsinteressen es verlangen. Das muss in jedem Einzelfall belastbar und nachvollziehbar begründet werden. Natürlich wird der Bund als Auftraggeber sich immer für eine faire Verteilung der Arbeitspakete einsetzen. Das ist übrigens auch bei der Fregatte 126 gelungen: Obwohl der Auftrag an einen niederländischen Konzern vergeben wurde, werden die vier Fregatten vollständig in deutschen Werften gebaut, nämlich in Wolgast, Kiel und Hamburg. Die deutsche Marineschiffbauindustrie ist hier also als Unterauftragnehmer stark eingebunden worden.

Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar

Dieter Stockfisch

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