Foto: US Navy

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Marineschiffe als strategisches Kommunikationsmittel

Nach dem Indo-Pacific Deployment der Fregatte BAYERN ist die Lust auf weitere Präsenz fernab der Heimat erst einmal wieder eingeschlafen. China und Russland hingegen verstärken ihr Engagement in diese Richtung.

Die Weltmeere, auf denen Marinen operieren, trennen nicht nur. Sie verbinden auch – ohne die Kommunikationslinien zur See wäre Globalisierung nicht möglich geworden. Zusammenarbeit zwischen Marinen manifestiert das Verhältnis von Nationen zueinander. Gemeinsame Übungen können Ausdruck von Gleichgesinnung und sogar Partnerschaft sein. Die Präsenz von Marineeinheiten übermittelt Botschaften. Manchmal subtil, manchmal sehr provokativ – im besten Sinne des Wortes.

Politikwissenschaftlich ist die Marine mehr als ein Forschungsobjekt. Mit der Präsenz von Marineeinheiten verbinden sich Botschaften. Deutschland untermauerte mit der Indopazifikreise der Fregatte BAYERN sein Engagement in der Region und bekundete seine Solidarität mit den Verfechtern einer regelbasierten multilateralen Ordnung. Ein regionales und gleichzeitig globales Signal, dass auch Deutschland für die Freiheit der Schifffahrt in umstrittenen Gewässern eintritt.

Die in der Öffentlichkeit wenig beachtete Fahrt der ADMIRAL GORSCHKOW, einer Fregatte der russischen Marine, ist ein weiteres Beispiel des Einsatzes von Marineeinheiten als Emissärinnen. Auf ihrer Reise ergaben sich denkwürdige Begebenheiten. Sie traf bei zwei trilateralen Manövern auf chinesische, iranische und südafrikanische Marineeinheiten. Darüber hinaus waren Hafenaufenthalte in Djibouti und Dschidda von Bedeutung.

Der als Langstreckentest deklarierte Ausflug der den hyperschallschnellen Zirkon-Flugkörper tragenden ADMIRAL GORSCHKOW ist mehr als eine Waffenschau. Es ist ein sichtbarer Beweis dafür, dass der Kreml in der Lage ist, seine internationalen militärischen Beziehungen trotz der Belastung seiner Streitkräfte und seiner Wirtschaft durch den Krieg in der Ukraine aufrechtzuerhalten. Und dass die von der westlichen Gemeinschaft ersehnte Isolation Moskaus nach dem illegalen Einmarsch in die Ukraine im globalen Süden nicht die erwarteten Früchte trägt. Über diese Demonstration hinaus markieren die Übungen und Hafenbesuche den schleichenden und sich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der breiten Öffentlichkeit vollziehenden Wandel.

Regionale Beobachter stellen eine Zunahme der russischen und chinesischen Marinepräsenz im Indischen Ozean fest. Russische Seestreitkräfte haben in der Vergangenheit Übungen mit chinesischen und iranischen Einheiten im nördlichen Teil dieses Seegebiets durchgeführt. Jetzt haben sie zusammen mit chinesischen vor Südafrika operiert. Die chinesischen Seestreitkräfte bestücken eine ständige Task Force im Golf von Aden. In Djibouti unterhält die chinesische Marine seit 2017 einen Stützpunkt. An der Gegenküste, im pakistanischen Gwadar, zeichnet sich eine Militärbasis ab. In Bur Sudan am Roten Meer befindet sich ein russischer Militärstützpunkt im Werden. Über ihre Präsenz und ihren operativen Wert hinaus werden diese Stützpunkte die strategische Reichweite Moskaus und Pekings in Afrika und darüber hinaus bis in den Nahen und Mittleren Osten erhöhen. Wir können also beobachten, wie maritime Geopolitik vor unseren Augen gemacht wird.
Für uns verbirgt sich hinter diesen Entwicklungen die Botschaft, dass sowohl China als auch Russland in der Region nicht als die systemischen Rivalen wahrgenommen werden zu denen sie der „kollektive Westen“ stempelt.

Womit wir zurückkommen auf den Eingangsgedanken dieses Abschnitts. Anders als die gerne bemühte Floskel, zeigen sich die chinesische und die russische Marine als tatsächliche Botschafter in Blau. Sowohl Moskau als auch Peking nutzen den Einsatz von Marineeinheiten als strategisches Kommunikationsmittel. Wovon Berlin, abgesehen von der Fahrt der BAYERN, wenig Gebrauch macht. Sicherlich gab es in der Vergangenheit Momente, zu denen Marineeinheiten Zeichen setzten. Die ständige Teilnahme deutscher Seestreitkräfte in NATO-Einsatzgruppen ist Ausdruck unserer Bündnissolidarität. Das spontane Zeigen eines Banners mit der Aufschrift „We stand by you“ des deutschen Zerstörers LÜTJENS beim Passieren der USS WINSTON CHURCHILL am 14. September 2001 stand (und steht!) für Verbundenheit und Zusammenhalt.

Für die nächsten 175 Jahre Deutsche Marine wäre zu wünschen, dass sich das deutsche maritime Denken im Sinne strategischer Kommunikation weiterentwickelt. Wenn Deutschland Botschaften zu verbreiten hat, dann ist die Marine eine „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Gleiches gilt für andere Teilstreitkräfte – doch hier geht es um den Geburtstag der Marine. Mit der Entsendung einer Marineeinheit und ihrer Präsenz wird die Bereitschaft, auf geduldigem Papier formulierte Prinzipien realpolitisch zu unterlegen, greifbar.

Dr. Sebastian Bruns ist Senior Researcher am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK) und war zuvor McCain-Fulbright-Gastprofessor an der US Naval Academy in Annapolis, Maryland. Kapitän zur See a.D. Hans-Uwe Mergener ist Marinefachjournalist für die Tamm-Media-Gruppe und seit März 2023 Senior Non-Resident Fellow am Institut für Sicherheitspolitik Universität Kiel (ISPK).

Sebastian Bruns und Hans-Uwe Mergener

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