Der Seefernaufklärer P-8A Poseidon soll nur gut ein Jahrzehnt seinen Dienst in der Deutschen Marine tun, Grafik: Boeing

Der Seefernaufklärer P-8A Poseidon soll nur gut ein Jahrzehnt seinen Dienst in der Deutschen Marine tun, Grafik: Boeing

Wunschzettel mit Streichpotenzial

Mit dem Zielbild 2035+ stellt die Marine ihre Vision einer langfristigen Aufstellung vor. Nicht alle Vorhaben werden sich realisieren lassen – aus unterschiedlichen Gründen.

An das Sondervermögen Bundeswehr rankten sich die Hoffnungen der Marine auf die ein oder andere, oft längst überfällige Erneuerung. Dabei waren die Erwartungen der kleinsten Teilstreitkraft gedämpft genug. Die meisten Träger des blauen Tuchs gingen bislang nicht davon aus, dass sich die Anzahl der Flaggenstöcke maßgeblich erhöhen oder das Fähigkeitspotenzial durch das Sondervermögen Bundeswehr signifikant ändern wird.

Mit der Veröffentlichung eines Zielbilds für die Marine ab 2035 geht der Inspekteur der Marine nun in die Offensive. Er richtet den Blick nach vorn in eine nicht „runderneuerte“, sondern deutlicher an den sich abzeichnenden Bedrohungen orientierte Flotte zu Wasser und in der Luft. Nach einer Zeit des Zweifels zeichnen sich Hoffnungsstreifen am Horizont ab – unter dem Vorbehalt, dass die benötigten Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Die Flotte sieht in den Jahren nach 2035 einer Zielstruktur von 15 Fregatten, sechs bis neun Korvetten des Typs 130, sechs bis neun U-Booten 212CD, acht Seefernaufklärern, bis zu 48 Hubschraubern, drei Flottendienstbooten, drei Flottentankern, drei Einsatzgruppenversorgern und sechs neuartigen Unterstützungsplattformen entgegen.

Ein Future Combat Surface System mit bis zu 18 kompakten Plattformen soll das Überwasserseekriegsportfolio mit Strike-Fähigkeit insbesondere in Randmeeren zusammen mit Korvetten bilden. Bis zu zwölf Minenabwehreinheiten sind vorgesehen. Offen ist zurzeit die Ausstattung mit unbemannten Systemen zur Minenjagd, die Auslegung der sogenannten Mine-Countermeasures-Toolbox. Fakt ist, dass die Minenabwehr-Plattformen der Marine ab 2035 breiter ausgelegt sind als bisherige Minenkampf-Fahrzeuge. Neben ihrer originären Aufgabe werden sie für Seabed Warfare und Unterwasseraufklärung eingesetzt.

Unbemannte Unterstützer

Seefernaufklärer, Minenkampffahrzeuge und U-Boote, aber auch Hubschrauber finden Unterstützung in unbemannten Systemen: die P-8A Poseidon und das derzeit noch im Projektstadium befindliche Maritime Airborne Warfare System (MAWS) werden mit sechs, die Bordhubschrauber Sea Tiger mit 22 fliegenden Drohnen, die U-Boote mit sechs Unterwasserdrohnen (Large Unmanned Underwater Vehicle) komplementiert. Diese, wie auch die Einheiten des Future Combat Surface System bedürfen allerdings noch einer intensiven technischen Evaluation und spezifischer Betrachtungen, was den unbesetzten oder autonomen Betrieb und auch den Waffeneinsatz betrifft. Diesbezügliche Diskussionen sind aus dem Straßenverkehr bereits hinlänglich bekannt.

Für die Minensuchflottille wird die Anzahl der unbemannten Minenabwehrsysteme und der Minenabwehr-Toolbox noch festgelegt.

Gegenüber dem bisherigen Plan 2031 (abgeleitet aus dem NATO Defence Plan) sieht die Marinezielstruktur 2035+ die gleiche Anzahl von 15 Fregatten vor. Allerdings ist die Zusammensetzung eine andere. Im Aufgabenbereich Überwasser und Luftverteidigung sind sechs Fregatten 127 vorgesehen. Sie sollen die Nachfolge der Fregatten der SACHSEN-Klasse (F 124) antreten. Sechs Fregatten der zukünftigen Klasse 126 sind für den Seekrieg Unterwasser ausgewiesen.

Der Zielumfang der Fregatte 125 wird gegenüber der bisherigen Planung um eine reduziert. Ab 2035 sollten drei Fregatten dieses Typs primär für Aufgaben des Internationalen Krisenmanagements herangezogen werden können.

Die beiden derzeitigen Betriebsstoffversorger RHÖN und SPESSART der Klasse 704 werden in drei Flottentankern vom Typ 707 ihre Nachfolger finden.
Zwischen sechs und neun Korvetten 130 im technischen Stand der Boote 6 bis 10, also des zweiten Loses, sind vorgesehen. Zu ihrer Ergänzung sollen bis zu 18 Future Combat Surface Systems (FCSS) realisiert werden. Zu ihrem Fähigkeitsprofil werden zurzeit keine Aussagen getroffen. Es zeichnen sich aber einige Vorgaben ab: Die schwer entdeckbaren, flexibel einsetzbaren Plattformen sollen mit geringem Personalansatz oder auch unbemannt betrieben werden können. Sie sollen zur Überwasserseekriegführung wie auch zur Wirkung an Land zur Verfügung stehen. Ihre technische Ausgestaltung käme denen früherer Flugkörperschnellboote nahe.

Die Einsatzplattformen der Spezialkräfte der Marine finden im Dokument keine Würdigung.
Zur fliegenden Flotte. Das Zielbild Marine 2035+ vermerkt bei den Seefernaufklärern die Typen P-8A Poseidon und MAWS. Ein Indiz, das das französisch-deutsche Projekt zumindest in Rostock und Nordholz weiterverfolgt wird. Bei den Hubschraubern wird vermerkt, dass die Anzahl der Bordhubschrauber vom Typ Sea Tiger noch festzulegen sei. Bisher waren 31 NH 90 vorgesehen. 17 Sea Lion werden als Mehrzweckhubschrauber ihre mannigfaltigen Aufgaben erfüllen. Insgesamt erfahren die Marineflieger einen Aufwuchs: Bis zu 22 fliegende Drohnen sollen den Bordhubschrauber Sea Tiger ergänzen. In Nordholz werden somit insgesamt 28 unbemannte fliegende Systeme stationiert werden.

Sechs bis neun U-Boote des Typs 212CD sind im Zielbild 2035+ vorgesehen. Bisher sind für die Deutsche Marine zwei dieser Boote aus dem deutsch-norwegischen Gemeinschaftsprojekt unter Vertrag. Wie sich die U-Boot-Zielstruktur endgültig zurechtschüttelt, dazu wird im Dokument keine Aussage getroffen. Verfügbar sind sechs Boote Klasse 212A, wovon die vier Einheiten des ersten Loses (U 31 bis U 34) eines bereits seit Langem aufgeschobenen Modernisierungsschubs bedürfen.

In der Minensuchflottille scheint eine Zielgröße von bis zu zwölf Einheiten realistisch, die mit einer noch festzulegenden Anzahl unbemannter Systemen ergänzt werden.

Nach dem Zielbild 2035+ bleibt es bei drei Einsatzgruppenversorgern. In der Nachfolge der Tender Typ 404 will man einen neuen Weg gehen. Sechs Unterstützungseinheiten sollen die organische Logistik und Operationsunterstützung sicherstellen. Hier hat die Marineführung eine modular ausgestaltbare Plattform im Auge, die an ihre jeweiligen Aufgaben angepasst werden kann. Mit der Einführung eines dritten Flottentankers könnte die Marine endlich die Lücke schließen, die mit jeder Instandsetzungsphase einhergeht.

Zum fälligen Ersatz der überalterten (Hafen-)Unterstützungsleistungen, den Schleppern, Wohnbooten und Hafentankern, ist im Zielbild keine Aussage getroffen worden. Wobei derzeit mit der Task Force Beschaffungswesen am Ersatz der drei Seeschlepper FEHMARN, SPIEKEROOG und WANGEROOGE durch zwei gebrauchte Schlepper vom Typ AHTS gearbeitet wird. Die erste Ausschreibung hat bis dato nur einen Treffer erbracht, welcher bei einer Inspektion durch ein Fact-Finding-Team einer Entscheidung entgegensieht. Eine erneute Marktbetrachtung soll dann auch bis zum Sommer noch eine zweite Plattform dieses Typs in die Flotte bringen.

Neben dem Marineführungszentrum in Rostock wird ein weiteres alternatives Hauptquartier avisiert, das im Kaltstart die Führungsaufgaben übernehmen kann. Für die Führung in See werden „ad hoc einsatzbereite Stäbe vorgesehen“, ohne sie zu näher zu beschreiben. Ebenfalls ohne Detaillierungsgrad werden die zum Schutz von Küstenbereichen erforderlichen infanteristischen beziehungsweise landgestützten Kräfte angesprochen.

Punktlandung zur Zeitenwende

Im Zielbild für die Marine ab 2035 wird die Bedrohung wieder zur Messlatte. Die Marine stößt die Tür zu Multi-Domain Operations auf. Seabed Warfare findet Eingang in die Zielstruktur. Dabei zeichnet sich die zukünftige Flottenstruktur durch zweierlei aus: erstens die konsequente Anwendung der 3:1-Ratio. Die Marine will die notwendige Verfügbarkeit im Betrieb sicherstellen können. Dies geht bis hinein in die Auslegung der unbemannten Systeme. Den Kampf unter und über Wasser gestalten Drohnen als Sensoren und Waffenträger mit ihren bemannten „Zwillingen“. Es zeichnet sich ab, dass der Weg von „immer größer und teurer“ zum preiswerteren Schwarm führt. Was nicht heißt, dass es weniger kostspielig wird.

Bei den Fregatten geht die Marine den Weg einer Spezialisierung auf Luftverteidigung (F 127) und U-Jagd (F 126). In der Projektierung von modularen Unterstützungseinheiten, die an Lage und Auftrag angepasst werden können, manifestiert sich ein technologischer Fortschritt. Den Textpassagen sowie der Streichung einer Fregatte 125 lässt sich entnehmen, dass die Marine der aktuellen Personalgewinnung ebenso Rechnung trägt, wie sie auch vom Mehrbesatzungsmodell abrückt.

So könnte sich die Zeitenwende nicht nur durch die planerisch vorgesehenen 63 bis 70 schwimmenden Einheiten der Marine inklusive größerer unbemannter Systeme materialisieren. Darin sind die zu beschaffenden Plattformen für das Seebataillon nicht eingerechnet. Sollte es so kommen, wäre die „Talsohle des Schrumpfens“, wie der ehemalige Inspekteur der Marine, Vizeadmiral a.D. Andreas Krause, einmal zur Vertragsunterzeichnung des zweiten Loses der Korvette 130 formulierte, hoffentlich in zehn Jahren überwunden.

Sicherlich, Fragezeichen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht wegzudiskutieren. Das ist der Natur des Dokuments geschuldet: Es handelt sich, wie der Titel bereits sagt, um ein Zielbild.

Über allem hängt die Finanzierbarkeit. Doch nicht allein. Die Auslegung der sechs (!) Fregatten 127 wird nicht nur die Haushälter beschäftigen. Schon jetzt befinden sich deutsche, europäische und amerikanische Marineschiffbauer im Wettbewerb. Wobei es nicht nur um die Hardware geht, sondern auch um die Führungs- und Waffeneinsatzsysteme. Die F127 soll den Ansprüchen zur Ballistic Missile Defence (BMD) genügen. Aus den Niederlanden, mit denen sich früher eine gemeinsame Entwicklung abzeichnete, ist Murren vernehmbar.

Ein anderes Beispiel ist die Korvette 130. Man darf gespannt sein, ob das zweite Los tatsächlich um bis zu vier Einheiten erweitert wird. An der Grundsatzfrage der Minenkriegführung wird weiterzuarbeiten sein. Für das teaming bemannter und unbemannter Systeme sind neue Ausbildungsgänge und Formen der Inübunghaltung einschließlich der Simulation zu entwickeln. Für den Außenstehenden stellen sich zudem Fragen über einen (Wieder-)Aufbau der marineeigenen Kompetenz zur Entwicklung von Führungs- und Waffeneinsatzsystemen.

Vieles wird von der Bereitschaft der Bundesregierung abhängen, die für Beschaffung und Betrieb erforderlichen Haushaltsmittel dauerhaft bereitzustellen. Und von der Fähigkeit der deutschen Industrie, im erforderlichen zeitlichen, finanziellen und qualitativen Rahmen zu liefern.

Hans-Uwe Mergener

2 Kommentare

  1. Minensuchflottille???

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    • Oh je, Flottille der Minenstreitkräfte natürlich – soviel Zeit hätte sein müssen…

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