Foto: US-Navy/Massenkommunikationsspezialist 3. Klasse Mike Shen

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US-Flugzeugträger unter NATO-Kommando

Abschreckung im Nordsee- und Mittelmeerraum

Seit dem 24. Oktober übernimmt die NATO die Kontrolle über den US-Flugzeugträger „Harry S. Truman“ und weitere Einheiten für die Mission NEPTUNE STRIKE. Die großangelegte Operation zielt auf flexible militärische Präsenz und Abschreckung in strategischen Gewässern und bindet Kräfte aus mehreren NATO-Ländern ein.

Seit dem 24. Oktober hat die NATO wieder operative Kontrolle über Flugzeugträger: Wie das Bündnis und beteiligte Nationen offiziell mitgeteilt haben, wechseln mehrere Einheiten und andere Kräfte bis zum 31. Oktober unter die Führung der Naval Striking and Support Forces NATO (STRIKFORNATO), um zum zweiten Mal in diesem Jahr NEPTUNE STRIKE durchzuführen. An dem Vorhaben werden insgesamt circa 15.000 Soldatinnen und Soldaten mit 20 Kriegsschiffen und diversen Luftfahrzeugen teilnehmen. Das Operationsgebiet erstreckt sich von der Nordsee bis ins Mittelmeer, der Schwerpunkt liegt auf der Ostseeregion.

Foto : US-Navy/ Massenkommunikationsspezialist 2. Klasse Hunter Day

Foto : US Navy/ Massenkommunikationsspezialist 2. Klasse Hunter Day

Keine Übung, sondern Abschreckung

Anders als in den Medien gelegentlich dargestellt und mitunter sogar von der NATO selbst kommuniziert, handelt es sich bei NEPTUNE STRIKE um keine Übung, sondern um eine „enhanced Vigilance Activity“ (eVA). Der Unterschied liegt darin, dass Übungen in der Regel lang im Voraus geplant werden und einem festgelegten Ablauf folgen. Eine eVA wird hingegen mit wenig Vorlaufzeit vorbereitet. Im Vordergrund stehen die Integration und Interaktion der daran beteiligten Kräfte zum Zwecke der generellen Abschreckung. Wie es bei NEPTUNE STRIKE 22-1 keinen Zusammenhang mit dem damaligen russischen Truppenaufmarsch entlang der ukrainischen Grenzen gab, besteht bei NEPTUNE STRIKE 24-2 keine Verbindung zur aktuellen Situation im Nahen Osten.

NEPTUNE STRIKE gehört zur NEPTUNE Serie, welche aus dem 2020 von STRIKFORNATO und der 6. US-Flotte initiiertem Projekt NEPTUNE hervorgegangen ist und im Frühjahr 2022 mit NEPTUNE STRIKE 22-1 begann. Seitdem probt STRIKFORNATO regelmäßig, allerdings immer kurzfristig angekündigt, die Einbindung maritimer Hochwertfähigkeiten wie Flugzeugträger in die alliierten Strukturen. Dies erfolgt über einen „transfer of authority“ (TOA), also die zeitweise Übertragung der - in diesem Falle - operativen Kontrolle (OPCON) über Flottenverbände oder einzelne Schiffe von einer Nation an die NATO. Der Vorteil dieses Prozesses liegt darin, dass sich durch die multinationale Führung die Koordination vereinfacht und somit verbessert, indem Informationen und Entscheidungen schneller weitergegeben werden können. STRIKFORNATO profitiert hierbei vor allem von einem Netzwerk an Verbindungsoffizieren, die eigens für NEPTUNE STRIKE an alle jeweils beteiligten NATO-Hauptquartiere entsendet werden.

Rückkehr der US Navy

An NEPTUNE STRIKE 24-2 nimmt seit Sommer 2023 wieder eine US-amerikanische Flugzeugträgerkampfgruppe teil. Im Nachgang des Massakers der Hamas an israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023 zogen die Vereinigten Staaten ihre Kräfte von der wenig später geplanten eVA NEPTUNE STRIKE 23-3 ab. Diese sowie die eVA NEPTUNE STRIKE 24-1 wurden deshalb erstmalig nur mit europäischen Flugzeugträgern durchgeführt. Trotz der bedauerlichen Umstände tat dies der Weiterentwicklung der NEPTUNE Serie keinen Abbruch: Nachdem sich Italien und Spanien bereits regelmäßig bei früheren Durchführungen mit ihren Flugzeugträgern beteiligt hatten, feierte bei NEPTUNE STRIKE 23-3 die britische “HMS Queen Elizabeth“ ihre Premiere und bei NEPTUNE STRIKE 24-1 die französische „Charles de Gaulle“. Damit sind alle über Flugzeugträger verfügende NATO-Mitglieder in das Projekt NEPTUNE eingebunden.

NEPTUNE STRIKE 24-2 markiert nicht nur die Rückkehr der Amerikaner, sondern auch ein Wiedersehen mit der „Harry S. Truman“ (CVN 75). Sie schrieb im Frühjahr 2022 gewissermaßen Geschichte, da mit ihr bei NEPTUNE STRIKE 22-1 seit Ende des Kalten Krieges wieder ein Flugzeugträger unter operative Kontrolle der NATO gestellt wurde. Es folgte ihre Teilnahme an der eVA NEPTUNE SHIELD 22 im darauffolgenden Mai, ehe sie im September routinemäßig in ihren Heimathafen Norfolk an der US-Ostküste zurückkehrte.

Operierte die „Harry S. Truman“ bei NEPTUNE STRIKE 22-1 in der Adria, so wird sie nun, bei NEPTUNE STRIKE 24-2, in der Nordsee eingesetzt. Erst vor wenigen Tagen erreichte die Kampfgruppe das Seegebiet. Begleitet wurde sie dabei von der portugiesischen Fregatte „Don Francisco de Almeida“, die momentan zur STANDING NATO MARITIME GROUP 1 (SNMG 1) gehört.

Foto : US-Navy/ Massenkommunikationsspezialist 2. Klasse Hunter Day

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Multidimensionale Operationen

In den kommenden Wochen steht bei NEPTUNE STRIKE 24-2 sowohl Bekanntes als auch Neues auf dem Programm. Zu ersterem gehören etwa Verfahren zur „Air-Land-Integration“ (ALI). Hierbei geht es darum, dass trägergestützte Kampfflugzeuge durch Beobachter am Boden eingewiesen werden. Dies geschieht meist auf Truppenübungsplätzen von Alliierten. Was sich simpel anhören mag, ist komplex: Zunächst müssen die Jets weite Distanzen überwinden. Dafür bedarf es der Unterstützung großer Tankflugzeuge, die von Land aus starten und sich mit den Kampfflugzeugen irgendwo treffen müssen. Vor Ort gilt es für jene dann, schnell Kontakt mit dem Einweisungspersonal und gegebenenfalls anderen Luftfahrzeugen aufzunehmen, um präzise wirken zu können. Solch multidimensionale Operationen zu koordinieren, gerade unter mehreren Nationen und zwischen verschiedenen Teilstreitkräften, ist aufwendig und muss daher oft trainiert werden. Dass die NATO hierzu imstande ist, zeigt jedoch ihre Flexibilität und Leistungsfähigkeit.

Orchestriert wird dies alles vom US-amerikanischen Führungsschiff „Mount Whitney“ aus. Der Großteil des Stabes von STRIKFORNATO verlegte dazu wenige Tage zuvor vom Hauptquartier im portugiesischen Oeiras ins italienische Gaeta, dem Heimathafen der „Mount Whitney“. Bereits bei früheren Durchführungen von NEPTUNE STRIKE sowie bei Übungen wie BALTOPS demonstrierte STRIKFORNATO seine Fähigkeit, mit vergleichsweise wenig Personal von verschiedenen Orten aus großen Flottenverbänden führen zu können. So fungierte bei NEPTUNE STRIKE 23-2 der italienische Flugzeugträger „Garibaldi“ als Flaggschiff von STRIKFORNATO.

Foto : US-Navy/ Massenkommunikationsspezialist 2. Klasse Hunter Day

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2024: Größte Übung der NEPTUNE-Serie

Zum Übungskatalog von NEPTUNE STRIKE 24-2 sollen neben den Trägeroperationen amphibische Landungen, Minenabwehroperationen sowie der Kampf gegen Drohnen gehören. Die Schauplätze kreisen um Mitteleuropa: In der Nordsee wird die Harry S. Truman“ auf die britische Trägergruppe um die „HMS Prince of Wales“ „stoßen. Im Mittelmeer befindet sich die amphibische Kampfgruppe um das US-amerikanische amphibische Angriffsschiff „Wasp“ (LHD-1). Sie wird vom italienischen Träger „Cavour“ und dem türkischen Träger „Anadolu“ unterstützt. Letzterer wirkte bereits bei NEPTUNE STRIKE 24-1 mit.

Alle Träger werden von Begleitschiffen eskortiert. Die amphibischen Schiffe haben zudem Marineinfanterie plus Ausrüstung und Gerät eingeschifft. An NEPTUNE STRIKE 24-2 werden am Ende voraussichtlich rund 15.000 Soldatinnen und Soldaten teilgenommen haben. Es wird sich nach NEPTUNE SHIELD 22 um die vom Kräfteumgang her größte Übung der NEPTUNE Serie handeln.

 

Text:  KKpt Helge Adrians , Forschungsgruppe Sicherheitspolitik / Redaktion Uwe Mergener

Bilder: US Navy / DIVIDS

 

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